Nach Überwindung einer Krise in den beginnenden 80er Jahren, in denen er dem emotionalexpressiven
Gestus in seiner Malerei die Zügel zu stark schießen ließ, besinnt sich Pijuan »geläutert«
seiner Wurzeln, um in seiner Malerei fortan mehr und mehr das Risiko rigoroser Unerbitterlichkeit
auf sich zu nehmen. Wie Kandinsky fordert, hat er den zivilisatorischen Ballast abgeworfen, um
wieder zurückzukehren zu seinen »inneren Notwendigkeiten«, zum primitiven unverstellten Anfang
der Kultur. Asketisch bedient er sich originär malerischer Mittel in äußerster Radikalität ohne dass
diese ihre Sinnlichkeit einbüßen. In seinen Bildkompositionen folgt er keinen rationalen, sondern
emotionalen Strukturen. Seine Poesie der Einfachheit bedarf keiner komplizierten Formen und
bildet mit seiner Palette unglaublicher Farben der iberische Erde und der dieser Erde entwachsenen
Vegetation eine untrennbare spirituelle Einheit. Mit der Reife desjenigen, der sein ganzes Leben der
Kunst geweiht hat, hat er keine Angst davor, seine Zeichen immer mehr auf das absolut Notwendige
zu beschränken, um sich einzulassen auf, fallen zu lassen in – diesen leeren Raum. Die Begrenzungen,
welche diesen leeren, in gewisser Weise sakralen Raum, den die Griechen »temenos« nennen,
umschließen, hat Pijuan bis an den Rand des Menschenmöglichen ausgedehnt. Hat diesen inneren
Bezirk immer mehr leergefegt, um uns einen Raum zu schenken, der Meditation und Reflexion
möglich macht. Die ohne Sentiment in die Malschichten gegrabenen Begrenzungslinien führen in
seine Bilder eine zusätzliche Achse ein, die wie ein Pflug die Komponenten Zeit oder auch
Geschichte aufwirft und deren Prozess sichtbar legt. Von Bild zu Bild intensiver wird der Vektor Zeit
präsent: die in den Bordüren übereinander gelagerten Farbschichten verweisen auf den ewig
repetierenden Kreislauf der Natur. »Jede Stille besteht aus Worten, die nicht gesagt wurden«. Für
diesen Satz von Marguerite Yourcener lüften in »Marc per un paisatge« zwei Buschgruppen wie
Finger eines Akteurs den Vorhang, um unserem Blick eine leere, weiße Bühne zu eröffnen auf der
das Unsichtbare sichtbar wird. Genau dort vollzieht sich eben auch jener für Pijuan persönlich
wesentliche Aspekt seiner Arbeit, nämlich daß, wie sein katalanischer Weggefährte Antoni Tapies
einmal formulierte: »ein Bild nicht nur ein Ding darstellt, sondern selbst ein Ding ist« – der
sinnliche, vielschichtige Arbeitsprozess der Malerei selbst: »Meine Arbeit beschäftigt sich ganz
wesentlich mit rein malerischen Fragestellungen, mit diesem Prozess einer kaum wahrnehmbaren
Modulation eines Bildes, dessen Spannung und dem Dialog, der zwischen gemaltem Raum und der
Umgrenzung eben dieser gemalten Fläche entsteht«. Wie in den Goldberg Variationen des anderen,
in Leipzig wirkenden Johann wird ein Thema immer wieder erprobt, ausgebreitet und zur Reife
gebracht, bestimmen Strenge und bei aller üppigen Kostbarkeit – auch im Falle von Pijuans Malerei –
die absolute Reduzierung auf das Wesentliche das Werk.
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