"Der Lange Weg der Linie" -
Zum Werk des Malers Otto Zitko
Eine Linie, die Otto Zitko zieht, wenn er malt, setzt die Linie
fort, welche der Künstler schon vor langem begonnen hat. Mit
dieser Linie ist er ,unterwegs', als einer, der nomadischen Prinzipien
folgt, als einer, der in labyrinthischer Vernetzung einen Weg buchstäblich
vorzeichnet und ihm nachgeht (respektive vorgeht und ihn nachzeichnet);
als einer, der mit raumgreifenden Mal/Zeichen-Gesten ein zweidimensionales
Lineament in vorhandene Räume setzt, sie dadurch dynamisiert,
entgrenzt und sie um eine ungeahnte Tiefe bereichert, die zeitliche
Dimension ahnen lässt.
Als Otto Zitko Ende der 80er Jahre zu malen aufhörte, hatte
dies keinen Manifestcharakter – nach dem Motto "auch
für mich ist die Malerei tot"; es bedeutete dies nicht
die Abwendung von der Malerei und deren scheinbare Überwindung,
sondern in dieser Entscheidung firmierte sich paradoxerweise der
selbstkritisch geläuterte Grund, nur so Malerei weiter treiben
zu können: nämlich im Verfolgen der Linie. Es ging dem
Künstler nicht um einen Graphismus als fundamentalistische
Ideologie nach aller Malerei, sondern Zitko bedient sich des "langen
Wegs der Linie” (Titel einer Zeichnung von 1987), um eine
Spur vor aller Malerei zu hinterlassen. Seine Priorität setzte
er in das Zeichnen, welches ihm die aktuelle Form des Malens ist,
in die fließend fortlaufende Linie, schließt aber aus,
damit der konventionellen Malerei eine endgültige Absage zu
erteilen.
Als nichtmalender Maler, der die flächenteilende Grenze als
raumteilende – aber auch raumkonstituierende – Linie
zum programmatischen Prinzip erhebt, macht er gerade das Paradoxe
und Unmögliche als Utopie zu einer Kunstwirklichkeit. Indem
sich die Linie auf den Weg zur Fläche begibt, die sie aber
trotz aller Verdichtung und Intensivierung nie vollständig
erreicht, wird die konsequente Absicht Zitkos deutlich, im dynamisierten
Graphismus den Prozesscharakter von Kunstproduktion selbst im Resultat
dominant erscheinen zu lassen. Mit dem ,Prinzip Linie' gelingt
es dem Künstler dieses eindimensionale Mittel so zu verwenden,
dass er alle weiteren Dimensionen damit erreicht. Die Linie, so
wie Otto Zitko sie als künstlerisches Formelement, als existenzielles
Bild oder als psychische Metapher verwendet, weist als exzentrisches
Zentrum seiner Kunst jedenfalls in die unterschiedlichsten Richtungen.
Delirös ist zum Beispiel ein Wort, das in der Benennung psychischer
Zustände, ebenso wie borderline, etwas Prekäres und verhaltensmäßig
aus der Norm Fallendes bezeichnet: eine Person, die sich in Grenzzuständen
befindet, die möglicherweise von einem Extrem ins andre ,kippt',
oder jemanden, der nicht genau weiß, wohin er gehört,
der unzuverlässig und nicht belastbar ist, und dergleichen
mehr. Delirös heißt buchstäblich de linea ire,
,über die Linie gehen', was im übertragenen Sinne einem
psychischen Grenzgang gleichkommt. In der spezifischen Wortverwendung
von Linie, wenn man an delirös denkt, gelangt man in den Bereich
des Grenzgängerischen, also dem Aufenthalt im psychischen
Niemandsland, einem in between, in dem rationale Domestizierung
des Bewußtseins und die haltlosen Wünsche des Unbewussten
sich konspirativ begegnen.
Für Vernetzungen hat der Künstler ein großes Faible.
Die Metaphern des Reisens, des Unterwegsseins bedeuten für
ihn als Künstlerfigur ein faszinierendes Existenzmodell – sich
von Ort zu Ort, von Station zu Station zu bewegen, setzt sich in
seinen Zeichnungen fort – unwillkürlich denkt man an
Martin Kippenbergers U-Bahnstationen. Die treibende und getriebene
Linie Otto Zitkos, auch ein existenzielles Symbol seiner Künstlerfigur,
erschöpft sich nicht in der Fläche, sondern schafft drei-
und mehrdimensionale Phänomene, indem sie vorhandene Räume
zerstört. Bestehende Raumstrukturen wie z.B. in Venedig und
Linz werden durch rabiate Linienführung dekonstruiert, um
einen neuen, vielschichtigen Raum zu kreieren. Für die Biennale
realisiert der Künstler eine Linien-verdichtung, die dem Konzept
der wabenartigen Durchgangssituation dieser Großausstellung
entgegenwirken soll: wenigstens für Sekunden soll den Betrachtern
der Raum zur Welt im Kopfe werden, bevor sie im Ausstellungslabyrinth
weiterschreiten.
In Linz löst Zitko das nüchterne Stiegenhaus einer Galerie
unter der Verdichtung seines Liniengraphismus auf, indem die Kanten
und Ecken überspielt werden, verschwinden und eine knäuelartige
Netzstruktur den Ausblick in eine neue Raumtiefe erzeugt: der Betrachter
und die Betrachterin sind buchstäblich im Bilde, ja sie gehen
darin ,hinauf' in den ersten Stock, den zu erreichen plötzlich
nicht der funktional erschöpfende Sinn des Stiegenhauses mehr
ist, sondern das befreiende wie beklemmende Erlebnis in diesem
Raumbild sich vertikal zu bewegen. So wichtig für Zitko die
raumschaffende und zugleich raumzerstörende Linienführung
seines Malvorgangs ist, wenn die Erzeugung des Lineaments zugleich
eine Zeiterzeugung ist, vollkommene Präsenz des Künstlers
in absoluter Gegenwärtigkeit, so ist für ihn das Erleben
seiner Bildräume durch die Betrachter zugleich auch deren
Chance einer vollkommenen Wahrnehmung, in der Bewusstes und Unbewusstes
mit gleicher Wichtigkeit vorhanden sind. Für Zitko ist die
Produktion seiner Werke eine psychophysische Extension seines Körpers
als Instrument des Malvorgangs, mental und profan-spirituell ist
seine Aufmerksamkeit auf Aktualität fokusiert, obliegt er
einem Exzess des Hier und Jetzt, der durch die labyrinthische Linie
transportiert wird.
Etwa in der Kunsthalle Bern hat Zitko fünf Räume in drei
Tagen und Nächten Non-Stop ausgearbeitet, hat sich der Unausweichlichkeit
der Situation von Etappe zu Etappe, von Raum zu Raum gestellt,
hat aus einer intensivierten Befindlichkeit heraus, der er seine
Energie verdankt, aus einem gesteigerten Lebensgefühl künstlerisch
agiert – die ästhetischen Entscheidungen werden im Augenblick
getroffen, aus der Spannung des Moments heraus, in welchem die
Pointierung des zeitlichen Jetzt ein räumliches Hier imaginiert
und verwirklicht. Der kontemplative Kern einer derartigen Kunsttätigkeit
ist gleichsam psychotechnisch disponiert und in der ästhetischen
Produktionsstrategie begründet, indem der jeweilig komplexe
künstlerische Akt von Situation zu Situation aktuell und konkret
vollzogen wird und nicht nach konzeptioneller Planung von langer
Hand. Dadurch wird der Künstler seinen Ambivalenzen in unmittelbarer
Weise gerecht, setzt sich ihnen aus, konfrontiert sich damit und
löst sie tatsächlich im Nu, und erhält sich dadurch
das Spannungsgefüge der eigenen Widersprüchlichkeiten.
So gesehen ist Zitko gewissermaßen ein realistischer Abstrakter
der alternden Moderne, eine avantgardistische Künstlerfigur,
die in der Perfektion des Noch-Nicht mit dem Nie-Erreichten und
dem Un-Vollendeten in Vollendung arbeitet – insofern ist
er auch Romantiker: die Realität seiner Linie ist zugleich
der Traum auf und in ihr unterwegs zu sein.
Es sind die Faktoren Bewegung und Beschleunigung, die in den
Werken Zitkos als "Zeitkern", wie es Adorno nennt, schon vom
Produktionsvorgang her im Resultat, dem sogenannten Werk, gleichsam
magisch gebannt aufbewahrt sind, um vom kongenialen Betrachter
in dieser Dynamik rezipiert und damit neu aktualisiert werden zu
können. "Was an den Kunstwerken knistert, ist der Laut
der Reibung der antagonistischen Momente, die das Kunstwerk zusammenzubringen
trachtet; Schrift nicht zuletzt deswegen, weil, wie in den Zeichen
der Sprache, ihr Prozessuales in ihrer Objektivation sich verschlüsselt.
Der Prozesscharakter der Kunstwerke ist nichts anderes als ihr
Zeitkern." (Th. W. Adorno) Zitkos Linien sind so gesehen auch
Kaligraphismen einer nicht buchstäblichen Schrift, sind auch
psychische Gravuren einer Sedimentierung von Zeitlichkeit, deren
Spurencharakter zugleich auch die Notation für die Wiederaufführbarkeit,
sprich Erlebbarkeit des zu rezipierenden Kunstwerks ist. Otto Zitko – und
darin erweist er sich als Avantgardist – verfolgt mit seinen ästhetischen
Interventionen per lineam das Ziel eines Extrem-Subjektivismus,
einer künstlerischen Produktionshaltung, die sich in einer
höchst subjektiven Auffassung und Deutung von realen Rahmenbedingungen
unseres Lebens – wie Flächen und Räume – der
sogenannten Objektivität entgegenstellt.
In einer Zeit der scheinbaren allgemeinen Verfügbarkeit von
Räumen, wie es der Cyberspace in multimedialer Präsenz
suggeriert, gewinnt Otto Zitkos Kunst der offenen Linie – Räume
zu dekonstruieren und sie in subjektiver Qualität neu zu kreieren – einmal
mehr an Aktualität. Was in den digitalen Medien als technologisch
perfekte Vorgabe zu individueller Passivität verleiten mag,
ist bei Zitkos Kunst einer Verortung der Zeit durch die Linie höchste
Aktivität und prononcierte Subjektivität. Darin dokumentiert
sich ein Kontrast zum passiven user digitaler Medienräume,
deren Virtualität sehr wenig mit jenen Möglichkeitswelten
der zitkoschen Bild-Raum-Kreationen zu tun hat. Deren visionärer
Charakter vertraut auf die Imaginationskraft des Individuums und
seine vitale wie sensible Kreativität Umgebungen nach der
eigenen Welt im Kopf zu gestalten, sprich anzueignen. So gesehen
ist die Linie kreatürlicher Raumteiler, erzeugt Raum; ein
ins Nichts gesetzter Punkt lässt Raum entstehen – dieser
Faszination künstlerischer Schöpfung als einer nahezu
archaisch anmutenden Leistung menschlicher Originalität verdankt
sich Zitkos Obsession der Linie als Malkunst unserer Zeit. Herbert Lachmayer
Otto Zitko, Biographie:
1959 in Linz geboren, lebt in
Wien
1977 – 1982 Hochschule für angewandte Kunst, Wien
1996 Msgr. Otto Mauer-PreisPersonalausstellungen / Auswahl:2003
Galerie 422, Margund Lössl, Gmunden
Cheim & Read, New York
Galerie & Edition Artelier, Graz
Van Laere Contemporary Art, Antwerpen (mit Franz West)
Galerie E. & K. Thoman, Innsbruck
2002 Galeria Heinrich Ehrhardt, Madrid
galerie de l‘école des beaux-arts de Caen, Caen
Galerie 3, Klagenfurt
2001 "Zustände", Teil I, II, Galerie Menotti, Baden/Wien
2000 Cheim & Read Gallery, New York
Galerie im kunsthaus muerz, Mürzzuschlag
Galerie Krobath Wimmer, Wien
1999 Galerie E. & K. Thoman, Innsbruck
Rupertinum, Salzburg
1998 Galerie F. Figl, Linz
1997 Galerie E. und K. Thoman, Innsbruck
9th Triennale-India, National Gallery of Modern Art,
New Delhi
1996 Galerie Christine König, Wien
1995 Galerie Rodolphe Janssen, Brüssel
Galeria Potocka, Krakau
1994 Kunsthalle Bern, Bern
Kunstverein in Hamburg, Hamburg
Kunstverein Künstlerhaus Klagenfurt, Klagenfurt
1992 Secession, Wien
1990 Galerie Grässlin-Ehrhardt, Frankfurt/M.
"
BWZ", The Renaissance Society of the University of Chicago,
Chicago (mit H. Brandl u. F. West)
Stichting de Appel Foundation, Amsterdam (mit F. West)
1988 Graphische Sammlung Albertina, Wien
1987 Galerie Zwirner, Köln
1986 Galerie Borgmann–Capitain, Köln
1985 Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt/M.
1984 Museum van Hedendaagse Kunst, Gent
1983 – 1993 Galerie Peter Pakesch, Wien
Ausstellungsbeteiligungen / Auswahl:
2003 "Himmelschwer – Transformationen
der Schwerkraft", Kulturzentrum bei den Minoriten, Landesmuseum
Joanneum, Graz 2003 – Kulturhauptstadt Europas, Graz
"
slow (e)motion oder der entschleunigte Raum – 17 Kurzfilme
an 2 Abenden, Kölnischer Kunstverein, Köln
"©
EUROPE EXISTS", Macedonian Museum of Contemporary Art, Thessaloniki
2002 "Uncommon Denominator: New Art from Vienna", MASS
MoCA, Massachusetts Museum of Contemporary Art, North Adams, Massachusetts
"
Die Zeichnung", Kunstverein Ludwigsburg, Ludwigsburg
"
summer stage", Wien
2001 "Portes Ouvertes", Michael Woolworth
Publications, Paris
"
Das Gespinst", Galerie Cora Hölzl, Düsseldorf
"
Images/Imaginations", Galeria Potocka und Bunkier
Sztuki, Krakau
2000/01 "Die Intelligenz der Hand. Europäische Meisterzeichnungen
von Picasso bis Beuys", Rupertinum, Salzburg
2000 "cultural sidewalk – Gumpendorf 2000", Gumpendorferstraße,
Wien
1999 "Signed Places", Centre of Modern Art Zamek Ujazdowski,
Warschau
"
dAPERTutto", 48. Biennale di Venezia, Venedig
1998 "Das Jahrhundert der künstlerischen Freiheit." 100
Jahre Secession, Secession, Wien
1997 "Epicenter Ljubljana", Moderna galerija, Ljubljana
"
Form und Funktion der Zeichnung heute", Frankfurter Kunstverein,
Frankfurt/M.
1996 "De Rode Poort – The Red Gate", Museum van Hedendaagse
Kunst, Gent
1995 "on peut bien sûr tout changer", Rouen
"
1 : 1 Wandmalerei", Lothringerstraße, München
1994 "Lokalzeit – Wiener Material im Spiegel des Unbehagens",
Raum Strohal, Wien, Moderna galerija, Ljubljana, Palazzo Querini
Stampalia, Venedig
1993 Galerie Sylvana Lorenz, Paris
"
Iron Village", Öffentlicher Raum, Pohori na Sumave
1991 "Körper und Körper", Grazer Kunstverein,
Graz
1990 "Einleuchten", Deichtorhallen, Hamburg
1989 "Open Mind", Museum van Hedendaagse Kunst, Gent
1988 "Aus Wien. Positionen des Aufbruchs", Bonner Kunstverein,
Bonn
1987 "Aktuelle Kunst in Österreich", Europalia, Museum
van Hedendaagse Kunst, Gent,
1986 "Hacken im Eis", Kunsthalle Bern und Museum des 20.
Jahrhunderts, Wien
"
Aperto", Biennale di Venezia, Venedig
"
Die Wahlverwandtschaften – Zitate", Grazer Kunstverein,
Graz
1985 "Vom Zeichnen", Kunstverein Frankfurt, Frankfurt/M.
und Museum des 20. Jahrhunderts, Wien
1983 "Animals for a possible Bestiarium", Madrid Permanente
Installationen / Auswahl:
2003 Kapelle / Kirche St. Andrä,
Graz
2001 Grand Hyatt-Hotel Berlin, Lobby Conference Centre/Ballroom,
Berlin
Universitätsklinik Innsbruck (Neubau), Innsbruck
1999 Universität Innsbruck, Katholisch Theologische Fakultät,
Innsbruck
1998 Grand Hyatt-Hotel Berlin, Lobby Conference Centre/Ballroom,
Berlin
1996 Wandarbeit, SMAK – Museum of Contemporary Art, Gent
1994 Business-Park Vienna, Lobby, Wien Bibliographie / Auswahl:
Otto Zitko, Cheim & Read, New York/Wien
2000 (Text: Herbert Lachmayer)
Otto Zitko, 9th Triennale–India 1997, Linz 1999
Otto Zitko, Galerie E. & K. Thoman, Innsbruck 1997 (Text: Andreas
Spiegl)
Otto Zitko. Räume, Kunsthalle Bern 1996 (Text: Ulrich Loock,
Christian Kravagna)
Otto Zitko, Franz West, Stichting de Appel Foundation, Amsterdam
1990 (Text: Saskia Bos, Elisabeth Schlebrügge)
Otto Zitko, Museum van Hedendaagse Kunst, Gent 1984 (Text: Peter
Weibel)
Florian Steininger zu den neuesten Arbeiten von Franco
Kappl
FRANCO KAPPL Malerische AbstraktionenFranco Kappls
neue Gemälde
führen den Weg fort, den der Künstler ab Anfang der 1990er
Jahre eingeschlagen hat. Seine Haltung entspricht einer zutiefst
dem Medium in seinen Grundzügen verbundenen malerischen Praxis.
Dabei haben der unmittelbare Malprozess, die dadurch entstehende
kompositorische Anlage und die malerische Atmosphärik im Hell-Dunkel
den Vorrang gegenüber einer konkreten Bildvorstellung, womöglich
noch mit gegenstandsbezogener Ausrichtung. Kappl ist Maler um der
Malerei willen. Daraus resultiert eine abstrakte Grundstruktur. Die
Farbe fügt sich keiner formalen oder figurativen Ordnung unter,
das Geviert erscheint abstrakt gestaltet. Kappls Abstraktionsbegriff
schließt jedoch Momente des Natürlichen mit ein. Es entstehen
Bilder parallel zu einer klassischen Landschaftsdarstellung. Kappl
filtert aus dem Landschaftlichen gleichsam elementare Qualitäten
wie den Raum, seine Atmosphäre und das Licht-Schatten-Spiel.
Dieser Hell-Dunkel-Dialog dominiert vor allem seine aktuellsten Werkbeispiele.
Stets werden die Farben aus einem erdigen und kaum grellen koloristischen
Spektrum entwickelt. Düstere Braun, Grau- und Schwarztöne
bilden dafür die Basis. Chromatische Töne wie etwa die
Primärfarben blitzen manchmal aus den gedämpften Farbzonen,
sie vermengen sich aber stärker mit ihnen als dass sie die Oberhand
in der optischen Wirkung der gesamten Bilderscheinung gewinnen würden.
Generell präsentieren sich die Bilder in einer verhaltenen und
unaufdringlichen Atmosphäre. Wuchtige Effekte werden durch sensible
malerische Nuancen und räumlich illusionistische Bildbereiche übertüncht.
Die Gemälde wirken getragen, monumental, ähnlich der erhabenen
Stimmung einer vorüberziehenden Schlechtwetterfront, aus der
helle Sonnenflecken sanft durchzubrechen scheinen. Cremige Weißtöne überlagern
dichte malerische Zonen. Ein spannungsgeladenes Figur-Grundverhältnis
wird aufgebaut.
Trotz der kompositorischen Präzision - formale und koloristische
Konstanten lassen sich in Franco Kappls neuen Bildfindungen erkennen
- wird der Eindruck erweckt, als würde die Farbe im heftigen
expressiven Malakt auf den Bildträger aufgetragen werden. Das
Expressionistische par excellence steht im engen Bezug mit Kappls
Malereientwicklung, der Maler hat sich jedoch in den letzten Jahren
von der aktionsgeladenen Malerei konsequent und klar distanziert.
Sein Ausstellungskatalog in der Galerie Ulysses von 1991 präsentiert
noch Atelierfotos, auf denen die Tradition des Action Paintings deutlich
zu erkennen ist: Der Künstler während des Malens, Schöpfer
der informellen Fährten. Kappl steht damals noch für die
ab den frühen 1980er Jahren aufkommende Generation des Neo Expressionismus,
zu denen Jean Michel Basquiat, Julian Schnabel und auch die Neuen
Wilden in Deutschland und Österreich zu zählen sind. Informelle
grafische Strukturen, Plakatabrisse, mauerähnliche Bilder, gestische
Farbspritzer, Rinnsale oder Graffiti-Spuren sind charakteristische
formale Erscheinungen dafür.
Ihre Väter, wie Willem de Kooning, Jackson Pollock oder Antoni
Tàpies markieren in der Kunstgeschichte einen Wendepunkt in
der Entwicklung der Malerei. Auf sie folgt eine Phase des Bildersturms
- eine Wiederkehr des Begräbnisses des Tafelbilds. Happening,
Wiener Aktionismus, Performance, Fluxus haben die Malerei überwunden.
Die postmodernen Maler lassen dagegen das Gemälde wieder aufleben
und führen es stets in neue Richtungen.
In Österreich bricht in den 1980er Jahren eine Zeit an, in der
vor allem der Expressionismus, getragen von Gerstl, Schiele, Kokoschka,
Rainer, Brus, Nitsch, usw., überwunden werden wollte. Neben
neokonzeptionellen und geometrisch-konstruktiven Bildkonzepten, wie
etwa von Heimo Zobernig, Ernst Caramelle und Gerwald Rockenschaub,
positionieren sich Maler, die vom wuchtigen traditionsgebundenen
Pinselstrich ausgegangen sind, sich aber von ihm bald distanzieren.
Ab Ende der 1980er Jahre etabliert sich in Österreich eine lose
Malerströmung, die sich von den zuvor stattfindenden wilden
Farbschlachten löst und das reliefartige undurchlässige
Tafelbild aufbricht, zugunsten einer sensiblen, räumlich illusionistischen
und malerischen Abstraktion. Herbert Brandl, Hubert Scheibl, Walter
Vopava und Erwin Bohatsch sind ihre Protagonisten. Franco Kappls
malerisches Werk ab den frühen 1990er Jahren schließt
hiermit an.
Kappl hat seinen informellen Stil der frühen 1990er Jahre verlassen
und sich der Malerei per se intensiver gewidmet, malerische Abstraktionen
mit zurückgenommener Heftigkeit im Malvorgang und schöner
dichter Atmosphärik. Aus der jungen Wildheit hat sich eine reife
Reflexion über das Medium und seine lange Geschichte entwickelt,
die sich in seinen aktuellen Bildern manifestiert. ©
Florian Steininger, Wien 2002
Franco Kappl
In den letzten Jahren hat sich Franco Kappl von den
Zeitströmungen
der neoexpressionistischen Malerei der 80er und frühen 90er
Jahre gelöst und sich neuen Formen der reinen puren abstrakten
Malerei zugewandt. Seine neuen Arbeiten auf Leinwand und Papier,
welche die Galerie präsentiert, zeigen nun eine freie und reife
Handschrift in der Pinselführung, entfalten imposant breit angelegte
Farbflächen mit atmosphärisch gefächerten Brüchen
und Überlagerungen, gekennzeichnet von einer kontrollierten
Intensität und einem spannungsreichen Dialog in den Hell- und
Dunkelschattierungen.
Kurzbiografie:
1962 Geboren in Klagenfurt
1974-81 Besuch des Gymnasiums in Klagenfurt
1982-89 Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste
in Wien bei Arnulf Rainer
1987 Max Weiler-Preis
1988 Mehrmonatiger Studienaufenthalt am Royal College in London
1991 und 1997 Mehrmonatige New York-Aufenthalte
1994 Erster Preis für Bildende Kunst der Bau Holding AG
Einzelausstellungen:
1986 Künstlerhaus Klagenfurt, Underdogs
1987 Galerie Freund, Klagenfurt
Secession Wien, Arbeiten auf Papier
1989 Galerie Ulysses, Wien, Das Letzte
1990 Galerie Menotti, Baden, Chelsea Boys
Galerie Freund, Klagenfurt
Galerie Figl, Linz
Galerie Tanya Rumpff, Haarlem, Niederlande
1991 Ulysses Gallery, New York
Galerie Ulysses, Wien, New York Works
Galerie Wicky, Zürich
1992 Galerie Academia, Salzburg, Cosmic Slops
Galerie Menotti, Baden, Honeycombed Paper
1993 Galerie Ulysses, Wien, Swamp World Paintings
Galerie Figl, Linz, Bilder 1991/93
1994 Galerie Tanya Rumpff, Haarlem
Galerie Freund, Klagenfurt
Kunstforum der Bau Holding, Klagenfurt, Paintdowns
1995 Galerie Ulysses, Wien, In the House of Paint
1996 Galerie Ulysses, Wien
Galerie Figl, Linz, Bilder 1994-96
1997 Galerie Academia, Salzburg, Malerei 1993-96
1998 Galerie Tanya Rumpff, Haarlem, schilderijen, tekeningen
Galerie Ulysses, Wien
1999 Galerie 3, Klagenfurt
2000 Galerie Ulysses, Wien, Standard Sliding
2001 und 2002 Kunstberatung Abuja, Klagenfurt, 9er-Areal |
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