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Karl Prantl

Steine

Galerie Ulysses
 11.10. - 01.12.2023

 
 
Eröffnung: Dienstag, 10. Oktober 2023 um 19.00 Uhr 

In Memoriam Karl Prantl: Die Seele des Steins
von Andrea Schurian

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Rückgrat. Lebenslinien. Licht und Schatten. Rund und eckig. Perlen einer Gebetschnur, wie Tränen auf der Via Dolorosa  namens Leben.  „Ich sehe“, sagte Karl Prantl, „immer die Wesenhaftigkeit des Steins. Während du den Stein behaust, entdeckst du den Geist deines Materials und seine besondere Eigenschaft. Deine Hand denkt und folgt den Gedanken des Materials. Steine leben. Sie sind Gebeine der Mutter Erde.“

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Drüberstreichen. Mit den Händen die Strukturen sehen. Die Unebenheiten und Übergänge spüren vom glatten Schliff zum rohen Stein: Gern führte Karl Prantl die Besucher im wahrsten Sinn des Wortes an der Hand, lehrte sie das Begreifen seiner Kunst, das Erspüren des Materials, das Ahnen der Ewigkeit: „Jeder Stein hat eine eigene Sprache, älter als jede Menschensprache, die muss man lernen zu verstehen.“  Im burgenländischen Pöttsching, wo er am 5. November 1923 seinen ersten Schrei und am 8. Oktober 2010 seinen letzten Atemzug tat, führte er sein ganzes künstlerisches Leben lang respektvolle Zwiegespräche mit seinen Steinen, umschritt sie, schaute, meißelte, polierte, streichelte, legte behutsam die Seele des Steins frei.

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Zwar hatte er zunächst von 1946 bis 1952 Malerei bei Albert Paris Gütersloh studiert. Doch bald arbeitete er lieber doch nicht mit Farbe und Leinwand, sondern mit Hammer und Meißel. Nicht in Wien, sondern in seinem Heimatort Pöttsching. Nicht im Atelier, sondern unter freiem Himmel. Hinter seinem Atelier dürfen seine Skulpturen Wurzeln schlagen, verwachsen mit der Landschaft, imposante Steinspuren in der Wiese, an Erdäpfelackern und Getreidefeldern vorbei. Die Liebe zur Bildhauerei wurde dem Sohn eines burgenländischen Gemeindesekretärs der k. u. k. Monarchie übrigens nicht in die Wiege gelegt; wohl aber, dem Großvater, einem Landwirt, sei Dank, die Liebe zur Natur: „Wenn man als Kind den Mähleuten Wasser aufs Feld gebracht hat; oder wenn man über einen Pferdeschädel so drübergleitet mit der Hand: Das ist ein unglaubliches Erlebnis. Dieses bäuerliche Leben mit und in der Natur hat mich immer bewegt. Ich bin froh, dass ich das auf eine andere Weise mit meinen Steinen leben kann.“  Jeden Tag, am liebsten aber bei gutem Licht, ging er hinaus zu seinen Steinen: „Die Sonne ist der beste Lehrer. Unbestechlich und kritisch. Jeder Mensch hat Vorlieben. Die Sonne nicht.“

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Seine Steinbildhauerei war körperliche Schwerarbeit, aber kein Kraftakt. Kein Kräftemessen mit dem Stein, eher ein Hingeben zum Annehmen.  Der große österreichische Bildhauer ließ dem Stein das Eigenleben, legte nur vorsichtig frei, was längst vorhanden ist: „Ich gebe einen Impuls weiter, den ich durch minimale Äußerungen empfange.“ Karl Prantl, dieser stille, bescheidene Künstler, war nie auf den eigenen Erfolg bedacht, Konkurrenzgedanken kannte er nicht. 1959 initiierte er das Internationale Bildhauersymposium St. Margarethen, vor allem für Künstler und Künstlerinnen aus dem damaligen Ostblock wurde Margarethen zum Synonym für künstlerische Freiheit. Längst ist der Steinbruch Geschichte. Irgendwann werden die imposanten Steinspuren vermutlich von Pöttsching direkt bis nach Sauerbrunn führen, an Erdäpfelackern und Getreidefeldern vorbei.

Prantl, der 1986 Österreich auf der Venedig-Biennale vertrat und 2008 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet wurde, arbeitete ohne Skizzen oder Modell, wichtig war ihm die spirituelle, die sinnliche und emotionale Bindung zum Stein. Seine reduzierte Formensprache machte ihn zu einem der wichtigsten Künstler im Nachkriegseuropa. Meist ließ er den Umriss des jeweiligen Steines unverändert, polierte die Oberfläche, legte Maserungen frei, fräste Einschnitte, formte Vertiefungen, Kugeln, Löcher, buchstäblich Anhaltspunkte für Augen und Hände.

Im November jährt sich Prantls Geburtstag zum hundersten Mal. In Memoriam zeigt die Galerie Ulysses Arbeiten aus Gummerner Marmor, weiß und mitunter rosé schimmernd, schwarz gerändert und geädert, von Prantl im Steinbruch in Kärnten ausgesucht, die betörende Eleganz durch jahrelange Arbeit sichtbar gemacht. „Durch das lange Dransein zeigt sich der Stein letztlich in seiner ganzen Schönheit“ , hatte er bei einem der letzten Besuche gesagt und einen Satz von Joseph Brodsky zitiert: „Ob ihr's glaubt oder nicht, die Evolution hat ein Ziel: Schönheit.“

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Werkfotos © Lukas Dostal