Im Österreichischen Papiermacher-Museum
A-4662 Steyrermühl, Museumsplatz 1
T: +43 7613-3951
F: +43 7613-8834
E: papier.druck@aon.at
In Cooperation with:
Gallery Ulrike Hrobsky, Vienna
Beijing Cultural Development Foundation
Song Zhuang Committee, Beijing
IAPMA – International Association of hand paper makers and paper artists
Dimension FRAGILE
Beteiligte Künstler
Tan Dun (CN/USA) Video: Papier Concerto, 2003
„Papier Concerto für Quartett“
Chen Qingqing (CN)
Hu Youben (CN)
Li Lei (CN)
Lu Shengzhong (CN)
Qiu Deshu (CN)
Wang Lei (CN)
Susanne Junker (CN/F)
Rolf A. Kluenter (CN/D)
Anita Brendgens (NL)
Josef Bücheler (D)
Felix Dröse (D)
Tone Fink (A)
Liz Gehrer (CH)
Birgit Knöchel (A)
Tamas Körösenyi (H)
Miriam Londono (NL)
Marie-Claire Meier (F)
Robert Mittringer (A)
Formenti Raffaela (I)
Helene und Joachim Tschacher (A)
Walter Weer (A)
Susanne Zehnder (A)
Papier ist ein vertrautes Material, es verweist auf den Alltag zwischen Poesie,
Konzentration, Vergeistigung, Information, Kommunikation und Konsum, Verpackung
und der damit einher gehenden Abfallindustrie sowie der Verschwendung von
Ressourcen. Diese unterschiedlichen Inhalte hat Papier ab Mitte des 20. Jahrhunderts
auch für viele Künstler interessant gemacht, die das Material als aufregendes und
faszinierendes Medium für sich entdeckten. Seine vielfältige Stofflichkeit, Materialität
und formale Qualität, machte es auch zu einem eigenständigen und interessanten
Sprachmittel für die zeitgenössische Kunst.
Die Ausstellung wird in Kooperation mit der Beijing Cultural Development Foundation,
der IAPMA-International Association of hand paper makers and paper artists und der
Galerie Ulrike Hrobsky durchgeführt.
Der kulturelle Dialog wird vor allem durch die Biographie und das Werk einzelner
Künstlerpersönlichkeiten, wie z.B. Rolf Kluenter und Li Lei, die im jeweilig anderen
Kulturkreis ihre künstlerische Prägung erfahren haben, zum Ausdruck gebracht. Sie
bilden die Klammer eines eurasischen Kulturbogens, der durch die Ausstellung in
Steyrermühl gespannt wird.
Die Verschränkung der Kontinente Europa und Asien in der Auswahl der KünstlerInnen,
wird auch im Ausgangsmaterial Papier manifest. Europäische KünstlerInnen verwenden
fernöstliche, handgeschöpfte Papiere aus Japan, Korea und Nepal, wie u.a. Rolf
KLUENTER wie andererseits chinesische KünstlerInnen die Entwicklung einer
europäischen Objektkunst antizipieren und sich von ihren traditionellen,
zweidimensionalen Umgang mit dem Papier lösen wie u.a. Qiu DESHU, aus Shanghai,
der seit den frühen 80er Jahren einen unabhängigen Weg zwischen Tradition und
Avantgarde verfolgt.
Weitaus näher der europäischen zeitgenössischen Kunst sind die skulpturalen Arbeiten
von Qing QING (Beijing), die heute zu den wichtigsten international bekannten,
chinesischen Künstlerinnen gehört.
Die Auswahl der Arbeiten der europäischen KünstlerInnen zeigt ebenso eine
heterogene Verwendung des Papiers, zwischen Scherenschnitt, Objekt und
Rauminstallation. Als Idiome einer politisch-aktiven Gesellschaft gelten die
Papierschnitte des deutschen Künstlers Felix Droese, in denen er Anfang der 70er
Jahre ikonographisch die Kunst der russischen Avantgarde zitierte. Scherenschnitte per
se gehörten zum Experimentierfeld vieler Künstler der Moderne, erhielten jedoch bis auf
die „gouaches découpées“ von Henri Matisse kaum eine zentrale Bedeutung, während
der installative, raumgreifende Umgang mit dem Papier heute in der Kunst der
Gegenwart in Europa wieder reüssiert.
Die Wiederentdeckung des Werkstoffs Papier erfolgte parallel zu einer Erweiterung des
Skulpturenbegriffs, in dem zunehmend die Materialien und Techniken der angewandten
Kunst wieder einbezogen werden. Die Künstler agieren dabei in der Wiederentdeckung
alter Traditionen wie der Herstellung handgeschöpfter Papier, Knüpfen, Flechten u.v.m.
oft als Grenzgänger zwischen den Bereichen einer freien und angewandten Kunst wie
u.a. Marie Claire Meier (F) oder die niederländische Künstlerin Anita Brendgens. (NL)
Beide arbeiten mit handgeschöpftem Papier. in Österreich erfolgt durch Franz West und
dem aus Vorarlberg stammenden Tone Fink eine individuelle Erweiterung ins
Performative. In den Arbeiten von Walter Weer, (A) Josef Bücheler, (D) Liz Gehrer
(CH) Robert Mittringer (A) oder Raffaela Formenti (I) wird das Papier zum Material
raumbezogener Installationen. Sie übersetzen den früher als zweidimensionalen
Bildgrund verwendeten Werkstoff in große Papierskulpturen oder Wandobjekte.
Josef Bücheler hat für die Ausstellung eine 10 m hohe Arbeit für den Freiraum
konzipiert, in der er, in für ihn charakteristischen Weise, Papier, Stämme und
Naturmaterialien verbindet. Dieses Objekt wird auf der Museumshalbinsel installiert.
Papier in seiner alltäglichen Verwendung als Karton oder Wellpappe ist dabei ein
bevorzugtes Material, die eine zusätzliche konzeptuelle Ebene in die Arbeiten
einbringen. Wesentlich ist dabei ein sensibler Umgang mit dem fragilen Material Papier
und Karton sowie ein Interesse an einer differenzierten Oberflächenstruktur. Auch die
Zeitung als bedrucktes Papier wird von Künstlern wie Tamás Körösényi (H) und Walter
Weer (A) als Werkstoff verwendet.
Einen weiteren ästhetischen und formalen Zugang zum Material Papier haben die
Künstlerinnen Miriam Londono (NL) und Birgit Knoechl (A) entwickelt. Die aus
Kolumbien stammende Künstlerin Miriam Londono lebt heute in den Niederlanden. Sie
formt aus der eigenen Handschrift ein Netzwerk aus Papierhalbstoffen wie Baumwolle
und Leinen. Ebenso in den Raum arbeitet die aus Kärnten stammende Birgit Knoechl. In
ihrer Arbeit assoziiert sie das Wachstum der Linie anhand von pflanzlichen Formen. Die
gezeichnete Linie wird durch den Prozess des Ausschneidens zu einem
dreidimensionalen Papierobjekt, das buchstäblich in den Raum wuchert oder in der
Übersetzung in das Medium Video als abstraktes Linienspiel erscheint.
dimensionFRAGILE dokumentiert durch die generationsübergreifende Auswahl der
KünstlerInnen, dass der Werkstoff Papier seit der Moderne ein Material war, in dem eine
neue Formensprache in der Objektkunst entwickelt wurde, bis hin zu den Werken einer
unmittelbaren Gegenwart, in der die skulpturale Arbeit mit Papier immer öfter mit den
technischen Möglichkeiten digitaler Medien verbunden wird.
© Silvie Aigner , Wien 2008
dimensionFRAGILE
WORKSHOPS - SONDERPROGRAMM
Die dreimonatige Ausstellung wird ein attraktives Sonderprogramm bestehend aus
Event-Veranstaltungen und Workshops begleiten. Die Workshop, organisiert durch
IAPMA und konzipiert von Sonja Neumayer, Papiermachermuseum Steyrermühl, geben
einen Einblick in die Papierherstellung, den Druck auf Papier und stellen die chinesische
wie europäische Tradition des Papiers vor.
Tan Dun
Komponist/Dirigent
Der vielseitige konzeptuelle Klangkünstler, Komponist und Dirigent Tan Dun hat die
Musikwelt mit einem kreativem Repertoire, das klassische Musik, Multimedia, östliche
und westlichen Musikrichtungen umfasst und deren Grenzen überschreitet, nachhaltig
geprägt. Er erhielt die prestigeträchtigsten Preise und Auszeichnungen der Gegenwart –
etwa den Grawemeyer-Preis für klassische Komposition, den Grammy Award sowie den
Oscar für die Filmmusik zu „Chrouching Tiger, Hidden Dragen“. Die Zeitschrift „Musical
America“ wählte ihn zum „Komponisten des Jahres“. Seine Musik wurde auf der ganzen
Welt von führenden Orchestern, in großen Opernhäusern, bei internationalen Festivals,
in Radio und Fernsehen gespielt. Zu seinen neuesten Kompositionen zählen die Oper
The First Emperor, eine Auftragsarbeit der New Yorker Metropolitan Opera, die am 21.
Dezember 2006 mit Tan Dun am Dirigentenpult uraufgeführt wurde; weiters das
Klavierkonzert The Fire für den Pianisten Lang Lang und die New Yorker
Philharmoniker, Secret Land für die Berliner Philharmoniker, Paper Concerto für The Los
Angeles Philharmonic Orchestra, die Oper Tea: A Mirror of Soul für die Suntory Hall und
die Niederländische Oper sowie The Map: Concerto for Cello, Video and Orchestra für
Yo Yo Ma und das Boston Symphony Orchestra. Tan Dun wurde vor Kurzem zum
musikalischen Berater für die Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele in
Beijing 2008 ernannt.
Tan Dun wurde in Hunan, China, geboren und lebt heute in New York. Während der
Kulturrevolution schlug er sich als Reispflanzer und Ensemblemitglied der Peking-Oper
durch, später studierte er am Konservatorium Peking. Dort lernte er erstmals die
klassische Musik des Westens kennen und entdeckte Werke aus dem Repertoire des
20. Jahrhunderts, die zuvor in China verpönt, ja verboten waren. Tan Dun wurde rasch
der führende Komponist der „neuen Welle“ zeitgenössischer Musik in China, wo sich ab
den frühen 1980er Jahren ein neuer kultureller Pluralismus in den Künsten entwickelte.
1986 ging er nach New York, nachdem er ein Stipendium von der Columbia University
erhalten hatte, wo er 1993 promovierte.
20.6.2008 / dimension FRAGILE Chinesischer Presseteil
In der chinesischen Gegenwartskunst setzen sich vier künstlerische Haltungen durch:
- die Verbindung von traditionellen volkshandwerklichen Fertigkeiten und Traditionen mit
einem gegenwärtigen expressiven Stil wird der Sinngehalt des Künstlers ausgedrückt;
- die Arbeit mit der überlieferten traditionellen Tuschemalerei in Verbindung mit einer
neuen und modernen Art von Papiergebrauch;
- Anwendung und Integration von Alltagspapier, wie z.B. Zeitungen
- Reduzierung und Konzentration auf die minimalen und physikalischen Eigenschaften
von Papier als Ausdrucks und Aussageform.
Der Gegenwartskünstler Lu Shengzhong betrachtet die künstlerische Fertigkeit, des
Scherenschnitts als die Elite der orientalischen Ästhetik. Nach seiner Absolvierung vom
Central Art Academy in den 80er Jahren fand er, dass Scherenschnitt das einzige Medium
beim Kunstschaffen ist.
Der Pekinger Künstler Wang Lei beginnt 2007 seine Papierkunst mit einem aus Papier
gemachten „Drachengewand“ und wählt Zeitungen deshalb als das Basismaterial fuer
seine Arbeit, weil er der Richtigkeit der Nachrichten eher skeptisch gegenueber steht.
Das Drachengewand symbolisiert Macht.
Andere chinesische Künstler entwickeln ihre gegenwärtigen Arbeiten aus der
traditionellen Tuschmalerei. Jedoch erfährt ihre Kunst ständig neue Materialien und
Ausdrucksweisen. Zu diesen Künstlern zählt auch der exekutive Direktor vom Shanghai
Kunstmuseum Li Lei. Seine Frühwerke auf Karton sind durch abstrakten Formen und
Techniken der Ölmalerei geprägt. Seine Kartonwerke erinnern an rhythmisch
vorgetragene Gedichte oder im Tagtraum gesprochene buddhistische Verse. Der in
Shanghai lebende Qiu Deshu gehört zu den Erneuerern der Tuschemalerei. Seinen neu
erfundenen Begriff „Fissuring“ prägt sein lebenslanges Bekenntnis zum Papier. Durch
Zerreißen und Aufrauen der Papieroberflache, durch erneutes Zusammenkleben der
Fetzen und letztendlich Farbgebung des so Neugestalten erreicht er neue Perspektiven in
Komposition und Ästhetik
Die Werke von Hu Youben sehen wie ein dreidimensionales Landschaftsbild aus.
Papierfalten symbolisiert die Gestalt von Berg und Flusslandschaften. Jede Falte hat ihre
eigene Farbe, die eine einzigartige Emotion und einen speziellen Denkzustand präsentiert.
Gleichzeitig bringen sie seine Gefühle zur Natur und seinen Glauben zum Universum zum
Ausdruck.
Chen Qingqing geht ueber die asiatische Philosophie an die Kunst heran. Wahrsagerei,
Phrenologie, Biologie, traditionelle Chinesische Medizin, Akupunktur, Volksgebräuche und
Sexualität sind die Faktoren, die ihre Kunst prägen, Mit Seide, Hanf und Papier webt,
spinnt und klebt sie „Körper“ und „Kleidung“. „Sie sind wie Uteri, die mir ein warmes und
sicheres Gefühl geben.“
Besonders erwähnt und herausragend in dieser Ausstellung ist der Film des
chinesischen Oscar-Preisträgers (Oscar für die Musik des Ang Lee Films „Im Reich
der Tiger und Drachen“), Komponist und Dirigent Tan Dun. Seine Videoarbeit
„Papier Concerto (2003)“ und Installation „Papier Concerto für Quartett“ sind
Werke, deren Musikausdrucksweise und expressives Medium Papier den Erfolg
von transdisziplinarischer Kunst beweisen. Tan Dun ist bemüht, wie er sagt, "Musik zu
sehen und Farben zu hören" zu schaffen. Wenn Tan Dun 's Werke uralte chinesischen
Philosophie und traditionelle Ästhetik in den modernen gegenwärtigen Kontext
übersetzen, dann können auch die ästhetischen Einflüsse Ost-Asiens in den Werken der
westlicher Künstler mit Wohnsitz in China eine Widerhall finden.
Die Positionen der beiden in Shanghai lebenden deutschen Künstlerin Susanne Junker
und Künstler Rolf A. Kluenter zeugen von der Erfahrung, dass das dynamisch urbane
Shanghai Leben ihr Kunstwollen verändert hat, und gleichzeitig traditionelle chinesische
Philosophie in ihrer Kunst Platz nimmt.
Susanne Junker beschäftigt sich mit der Diskrepanz von Realität und Aussehen. Ihre
markanten Werke analysieren die Illusion von Schönheit und Perfektion sowie die
suggestive Macht der Massenmedien. In ihren inszenierten Photografien benutzt die
Künstlerin ihren eigenen Körper als Ausgangsmoment. Wenn sie an sich selbst die
Werkzeuge der Mode-und Werbebranche anwendet, konfrontiert sie die verschiedensten
Rollen und weiblichen Stereotypen.
Rolf A. Kluenter besteht darauf, dass sein deutsches Gesicht die Maske eines
asiatischen Künstlers ist. Unabhängig von Religion und Stand der technologischen
Entwicklung besitzt jede Kultur Orte, die in einem speziellen Sinne tradiert werden, Orte
der geistigen Macht, des persönliche und kollektiven Gedächtnis und der Weisheit. Die
universelle Nutzung dieser Räume ist ein wiederkehrendes Thema in Rolf A. Kluenter 's
Werk. Konkrete Orte sind nur der Ausgangspunkt seiner Überlegungen, in der Tat
interessiert ihn der virtuelle und spirituelle Aspekt dieser Räume, Fragen der
Positionierung und Ausrichtung, das Verhältnis von Mensch und Kosmos, und nicht
zuletzt das ewige Streben des Menschen nach Weisheit und Erleuchtung.
Die zentrale Zielsetzung und Aufgabe der europäisch-chinesische Papierkunstausstellung
„Dimension Fragile“ im österreichischen Papiermachermuseum, Steyrermuehl, die in
Zusammenarbeit mit der Stiftung der Kultur und Entwicklung Beijing realisiert wurde, liegt
in der Unterstützung von Papierkunst sowie der Förderung von Begegnungen der
Künstler aus unterschiedlichen Ländern und kulturellen Hintergründen, die das
Ur-Medium Papier in ihrer künstlerischen Arbeit und Vision thematisieren. |
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