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Eerily beautiful / unheimlich schön

 

bildGALERIE THOMAN INNSBRUCK
 08.03. - 17.05.2025



Eröffnung: 5. Juni 2025, 18:00

CARMEN BRUCIC, MARIA BRUNNER, CLEGG & GUTTMANN, THOMAS FEUERSTEIN, KERSTIN VON GABAIN, THILO JENSSEN, FRANZ WEST


FRANZ WEST, Lemure, 2005, epoxy resin, metal, steel, 240 x 134 x 95 cm
© Galerie Elisabeth & Klaus Thoman / Carmen Brucic

Was passiert, wenn das Vertraute entrückt, das Alltägliche ein Schaudern und Zucken bekommt und das Harmlose einen Schatten wirft? Mit eerily beautiful / unheimlich schön möchten wir an diesen prekären Abgrund führen, wo das Unheimliche, Uncanny, sich zeigt. Mit einem Ensemble aus Malerei, Skulptur, Installation und Fotografie sind Werke versammelt, die die Zone zwischen Komik und Schauder, zwischen Spiel und Interferenz sichtbar machen. Die Ausstellung nimmt Bezug auf Konzepte des Unheimlichen, wie sie von Sigmund Freud beschrieben und von Künstler:innen wie Mike Kelley in der Gegenwartskunst aufgegriffen wurden. Nicht platte Effekte, sondern feinen Verschiebungen, die vertraute Bilder in Frage stellen werden geformt. Humor ist dabei nicht ausgeschlossen – vielmehr ist er das nervöse Lachen, das das Unheimliche oft begleitet, eine individuelle Empfindung, eine soziale Konstellation.


CARMEN BRUCIC, Ein weißer Strahl schießt vom Himmel und löscht diese Komödie aus (Vanitas), 2008, digital 4C print on Dibond, 250 x 180 cm, 1/3

Hi, Sunny: Thilo Jenssens Malerei aus dem Jahr 2022 öffnet ein ambivalentes Tor: das fragmentarische, verzerrte Lächeln eines Smileys, das freundlich grüßt – oder doch eine Grimasse schneidet? Mit minimalistischer Geste ruft das Bild Assoziationen an Pop-Ikonografie und digital vermittelte Emotionen wie Emojis hervor. Ein Ausdruck, der zwischen Euphorie und Erschöpfung schwankt. Die Arbeiten von Kerstin von Gabain verstärken diesen Eindruck: In einer Holzkiste am Boden lodert die Neonarbeit rotten apple (2024) – ein sprichwörtlich faules Versprechen, eingebettet in Holzspäne, die an eine fast museale Sicherungsmaßnahme erinnern. Shelter for beasts (2024) zeigt ein schwarzes Vogelhäuschen, aus dem eine dünne Latexschlaufe ragt – wie eine Zunge, ein Fühler oder ein lose baumelndes Zeichen zwischen Schutz und Bedrohung.


CLEGG & GUTTMANN, Portrait of a man with Nok masks, 2006, Lambda print mounted behind Plexiglass, MDF Frame, 107 x 150 x 6 cm, unique

Die Grady-Zwillinge aus dem Film The Shining (1980) treten in Maria Brunners großformatiger Gouache betitelt Traum im Traum unheimlich direkt in Erscheinung: Sie sind wie ein ornamentaler Schmuck um einen Ankleide- oder Psychespiegel angeordnet – beinahe so, als blicke man nicht in sein eigenes Spiegelbild, sondern durch den Spiegel hindurch, direkt auf das Düstere dahinter. In Clegg & Guttmanns Auftragsporträt stehen wir einem kultivierten Mann gegenüber, der scheinbar stolz seine Sammlung afrikanischer NOK-Masken präsentiert. Doch das Setting kippt: Die Selbstinszenierung, der koloniale Beigeschmack, der steife Anzug – all das wirkt eine Spur zu perfekt, zu gestellt, zu maskiert.


KERSTIN VON GABAIN, rotten apple , 2024, neon tubes, 79 x 57 x 13 cm, unique

Demgegenüber verweigert sich Carmen Brucics großformatiges Vanitas-Stillleben Ein weißer Strahl schießt vom Himmel und löscht diese Komödie aus (2008) einer unmittelbaren Dechiffrierung: Überlagerungen zahlreicher Bilder und Fotografien verschleiern das Motiv, schaffen Distanz. Maskierung – diesmal im ideologischen Sinne – greift Thomas Feuerstein direkt auf. In seiner mit selbst gewonnener Kohle gefertigten Zeichnung MARXSCHE VERFREMDUNG (2018) verschmelzen die Gesichter von Margaret Thatcher und Karl Marx, einst politische Gegenspieler, zu einem Phantom, das uns aus der Geschichte heraus anblickt: erkennbar, aber nicht greifbar – geisterhaft wie ein ideologisches Echo. Im OEuvre von Franz West nehmen die Lemuren – anthropomorphe, figurale Skulpturen – eine Sonderstellung ein. Die titelgebenden Geisterwesen der römischen Religion, sogenannte Manen, galten als Totengeister, die keine Grabstätte erhielten oder zu Lebzeiten Schuld auf sich geladen hatten. Wie viele andere Werkgruppen bei West verbinden auch die Lemuren Humor mit Skurrilität und unheimlichen Zügen. Sie knüpfen nicht nur an die ästhetischen Traditionen des Grotesken und Hässlichen an, sondern verweisen zugleich auf die psychologischen Dimensionen des Unheimlichen, wie sie Sigmund Freud in seinem gleichnamigen Essay aus 1919 analysiert hat. Freud geht dabei von der Doppelbedeutung des Begriffs heimlich aus – im Spannungsfeld zwischen Vertrautem und Verborgenen – der in seinem Gegenteil, dem Unheimlichen, auf paradoxe Weise wiederkehrt.

Der Schlusspunkt – ein flackernder Nachhall – stammt von Thilo Jenssen. Seine Malerei eines menschenleeren Aufzugsraums basiert auf einem KI-generierten Bild, das digital auf die Leinwand übertragen und manuell überarbeitet wurde. Entstanden ist ein funktionaler, entrückter Raum – wie eine Bühne für das Nicht-ganz-Menschliche.

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MARIA BRUNNER, Traum im Traum, 2001, gouache on paper, framed, 210 x 150 cm, unique


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THILO JENSSEN, Elevator Pitch *6, 2024, Transferprint, lacquer, acrylic varnish auf on wood, 120 x 80 cm, unique