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Jürgen Klauke

Schattenfresser

bildGALERIE THOMAN WIEN
 04.06. - 09.09.2023



Eröffnung: 3. Juni 2023, 11 Uhr
Es spricht Angela Stief, Direktorin Albertina Modern


JÜRGEN KLAUKE, Schattenfresser, 1988 - 1991
three-part photographic work on barite paper, 2/3 + 2 A.P.
each 165 x 125 cm, installation 165 x 375 cm

Wir freuen uns zur fünften Galerieausstellung mit dem deutschen Fotokünstler Jürgen Klauke einladen zu dürfen.
Schattenfresser ist der Titel einer dreiteiligen Fotoarbeit Klaukes aus der Werkserie PROSECURITAS ("für die Sicherheit"), in welcher der Künstler in den späten Achtziger und frühen Neunziger Werke schuf, die er mithilfe eines Gepäckscanners generierte. In der Ausstellung werden Auszüge dieser Schaffensperiode mit neuen, 2023 entstandenen, Zeichnungen des Kreuz&Queer Zyklus präsentiert.

Die titelgebende Arbeit zeigt – in den Tönen Schwarz, Grau-Blau und Weiß gehalten – auf drei rechteckigen Feldern Umrisse einer immer größer werdenden Figur und Gegenstände in unterschiedlicher Farbintensität. Diese sind teilweise als Räder, Gestelle, Drähte und einen sich nahezu auflösenden Stuhl identifizierbar. Am linken Tableau noch in klarem Kontrast zwischen Dunkel und Hell dargestellt, ist ganz rechts erkenntlich, dass es sich nicht um ein inszeniertes Schattenspiel sondern um die Collage von "Röntgenfotografien" handelt.

"Klauke >programmiert< seine Bilder, indem er unterschiedlichste Gegenstände (und mitunter eben auch sich selbst) in Kofferschächten arrangiert, wie sie auf Flughäfen gebräuchlich sind. ... Am Überwachungsbildschirm kontrolliert Klauke das Röntgenbild und greift in gewissem Umfang auch ein. So bewirkt er Veränderungen im Raster oder nimmt Positiv-Negativ-Manipulationen vor; auch kann er die durchleuchteten Gegenstände nahezu unkenntlich machen. Aufgrund seiner reichen Erfahrungen im Umgang mit diesem Medium gelingt es ihm, durch ein gezieltes Arrangement der einzelnen Gegenstände perspektivische Verzerrungen herbeizuführen. Die Kenntnis vom Verhalten von Körpern unterschiedlicher Dichte beim Durchleuchten bzw. das Wissen um die jeweils resultierenden Licht- und Schatteneffekte auf dem Kontrollbildschirm ermöglichen eine prädisponierende Ordnung der Dinge im Kofferschacht. Das jeweils erzielte Bild fotografiert Klauke sodann vom Monitor ab. Die weitere Bearbeitung der so gewonnenen Bildvorlagen erfolgt am Leuchttisch und im Fotolabor. Farben werden durch entsprechende Andrucke über dem Schwarzweiß-Negativ generiert, Solarisationen, Sandwich-Überlagerungen bzw. Mehrere übereinandergeschichtete Negative führen dann weiter zum endgültigen Resultat."(1)

Klauke berhandelt in Werken wie Schattenfresser (1988–1991), Selbstfindung (1988–1991), Schlafstörung (1989) und Toter Fotograf (1988–1993) neben Themen wie den Tod, die menschliche Vergänglichkeit und Entfremdung (immer noch) aktuelle Fragestellungen wie das Hinterfragen von Realität und Wahrheit. Ein Phänomen, das einerseits in Form von kritischem Denken als grundlegendste menschliche Praxis in unserer Gesellschaft verstanden werden muss und gleichzeitig als absolutes Streben nach Erkenntnis und Sicherheit in einem absurdem Ausmaß zu beobachten ist. Ein dekonstruierendes Moment wohnt ebenso den Zeichnungen aus dem Zyklus Kreuz&Queer inne, die im Frühjahr 2023 auf Teneriffa enstanden sind.

Die Papierarbeiten aus der Serie Kreuz&Queer (ab 2021) werden in der Verwendung von schwarzer Tusche und starkem Hell-Dunkel-Kontrast dominiert. Eingebaut in rechteckig vollausgefüllte oder freigelassene Flächen formen einfache Linien nackte Figuren mit kahlen Köpfen, deren Geschlechtsorgane und Körperteile fragmentiert in organische abstrakte Formen übergehen. Klaukes suggestiven Arbeiten auf Papier präsentieren den menschlichen Körper als transformiertes Objekt. Komplexen Szenen scheinen erotisch aufgeladen zu sein, ohne dass sexuelle Handlungen sichtbar wären. Stattdessen zeigen sie Metamorphosen des Geschlecht­lichen.

(1) Vgl. Herzog, Den Tod bewegen und das Leben gefrieren, in: Jürgen Klauke, Prosecuritas, Kat. Ausst. Kunsthalle Bielefeld, Hatje Cantz, 1994, S. 14.
JÜRGEN KLAUKE (geb. 1943) ist eine singuläre Erscheinung in der zeitgenössischen Kunst. Er hat vor allem der inszenierten Fotografie den Weg geebnet, indem er das fotografische Medium konzeptionell zum immanenten Thema seiner Kunst erhob. Nachdrücklicher und radikaler als andere hat er die Frage der Geschlechterdifferenz aufgeworfen und die Identitätsproblematik mit teilweise provokanten Bildern bis zum Exzess überspitzt. Er selbst spricht von der "Ästhetisierung des Existenziellen".

Seit 1968 lebt Klauke in Köln und lehrte von 1994 bis 2008 an der dortigen Kunsthochschule für Medien. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen weltweit präsentiert, so zum Beispiel im Museum Ludwig, Köln; im Max Ernst Museum, Brühl; der Bundes­kunsthalle Bonn; der Nationalgalerie, Berlin; Maison Européenne de la Photographie, Paris; Museum der Moderne, Salzburg; The Museum of Modern Art Saitama, Japan; Museum of Contemporary Art, Los Angeles; The State Russian Museum, St. Petersburg und der Tate Liverpool. Klaukes Werke sind in den Sammlungen internationaler Institutionen vertreten, darunter die Nationalgalerie, Berlin, die Kunst­sammlung NRW/K21, Düsseldorf, das Kunstmuseum Bonn, Centre Pompidou, Paris, Maison Euro­péenne de la Photographie, Paris, das Kunstmuseum Bern, das Art Institute of Chicago und das Museum of Modern Art, New York u.v.m.

04.06. 12:00, MQ Wien / Ovalhalle
Artist Talk mit Renate Bertlmann und Jürgen Klauke, moderiert von Nela Eggenberger.

Die Ausstellung und das Gespräch sind Teil der FOTO WIEN 2023.


JÜRGEN KLAUKE, Toter Fotograf, 1988/1993
two-part photographic work, 3/3 + 2 A.P.
160 x 125 cm and 120 x 125 cm, installation 280 x 125 cm