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Devin Kenny, Franz West

Shake-up environment
Curated by Pia-Marie Remmers

bildGALERIE THOMAN WIEN
 18.05. - 28.07.2023



Eröffnung: 17. Mai 2023, 18 - 21 Uhr


© Galerie Elisabeth & Klaus Thoman / kunst-dokumentation.com

Die Ausstellung Shake-Up Environment bringt Werke von Devin Kenny (*1987, Chicago) und Franz West (1947-2012, Wien) zusammen. Sie ist der Auftakt einer dreiteiligen Ausstellungsreihe, in dessen Rahmen die Kuratorin Pia-Marie Remmers Künstler*innen eingeladen hat, eine Position aus dem Programm der 1977 in Innsbruck gegründeten Galerie Thoman für eine gemeinsame Ausstellung auszuwählen.


DEVIN KENNY, ongoing, individual adaptability - 02, UV-Druck auf Aluminium, NFT Zertifikat
70 x 33 cm, 1/3 + 1 A.P., Ken/E 230002/1

© Galerie Elisabeth & Klaus Thoman / kunst-dokumentation.com

DEVIN KENNY arbeitet mit verschiedenen Medien, darunter Skulptur, Künstliche Intelligenz, Musik, Performance, Video, Text und Modedesign, um die Dynamiken von Gegenwartskultur weiter zu verkomplizieren. Ein Schwerpunkt liegt auf der Verknüpfung subversiver Kulturpraxen wie Graffiti, Skateboarding oder digitalen Formen von Jugendkultur mit den ausbeuterischen sowie entmenschlichenden Funktionsweisen des globalen Finanzkapitalismus.
FRANZ WEST war die Kontextualisierung seiner Werke im Zusammenspiel mit Arbeiten anderer Künstler*innen ein wesentliches Anliegen – angefangen bei Collagen aus teils eigenen, teils fremden Werken, bis hin zu Gruppenausstellungen mit befreundeten Künstler*innen, Assistent*innen oder Studierenden. In seinen Skulpturen, Möbeln und Collagen verband West die „hohen“ mit den vermeintlich niederen Künsten, um Situationen zu erzeugen, die die Betrachtenden verunsichern sollten. Seine berühmten „Passstücke“ bezeichnete er als „Skulptur gewordene Neurosen“ und seine Sitzmöbel drehte er absichtlich mit dem Rücken zu anderen Werken im Raum. Dabei halten die Arbeiten doch Möglichkeiten der Kommunikation bereit, mit sich selber und mit anderen.


© Galerie Elisabeth & Klaus Thoman / kunst-dokumentation.com

Pia-Marie Remmers: Warum wolltest du mit Werken von Franz West arbeiten?

Devin Kenny: Ich habe die Arbeiten von Franz West, in erster Linie die „Passstücke“, während meines Studiums kennengelernt. Sie wurden als Teil einer skulpturalen Praxis vorgestellt, die Menschen zur direkten Interaktion mit der Kunst einladen sollten, obwohl sich die konkrete Anwendbarkeit nicht intuitiv erschloss. Das stellte für mich einen starken Kontrast dar zu allem, was ich bis dahin über Skulptur gelernt hatte. Heute sehe ich eine Art Verwandtschaft zu meiner eigenen Arbeit, in der es ebenfalls häufig um die Unterwanderung von Erwartungen geht.


© Galerie Elisabeth & Klaus Thoman / kunst-dokumentation.com

PMR: Eines der Werke von West in der Ausstellung ist eine Lampe, die Elisabeth Thoman gewidmet ist, der Galeristin. Deine Arbeit KRAM ist ebenfalls eine Art Widmung oder besser gesagt ein Mahnmal.

DK: KRAM ist das Alias eines Freundes und Graffiti-Künstlers aus Chicago.Wir lernten uns mit ungefähr sieben Jahren kennen. Durch ihn wurde ich in die Szene eingeführt, in der er schon früh aktiv war. KRAM war Mitglied von Style Brigade, einer sehr angesehenen Crew in Chicago. Er hatte großen Einfluss auf mich, obwohl wir sehr unterschiedliche Persönlichkeiten und Lebensansätze hatten. Vor einigen Jahren habe ich vergeblich versucht, wieder Kontakt mit ihm aufzunehmen. Im Sommer 2022 erfuhr ich, dass er auf tragische Weise gestorben ist. Mit der Wand- und Fenstermalerei in der Galerie versuche ich dieser Person, die Graffiti als Lifestyle und kulturelle Form mit ihrer eigenen Geschichte und Semantik, sehr ernst genommen hat – die oft verleumdet und gleichzeitig ausgenutzt wird, etwa um Orte hip und attraktiv erscheinen zu lassen –etwas Energie und Respekt zurückzugeben. Meine Hommage besteht darin, Techniken wie das „Bombing“ in einen künstlerischen Kontext zu bringen. Wobei es auch einen Aspekt an dem Werk gibt, der sehr langsam, leise und rituell abgelaufen ist. Mit Hilfe von Mandala-Werkzeug habe ich verschiedene Schichten Farbpigmente unten auf die Rückseite der Buchstaben aufgetragen. Ähnlich wie beim Graffiti oder Skateboarding wird man in der Ausstellung also dafür belohnt, seine Umgebung genau, bzw mit einem spezifischen Blick zu betrachten.

PMR: Als Edition haben wir eine Serie ausgewählt, die du für das Online-Programm des Whitney Museum in New York gemacht hast. Wie kam es dazu?

DK: Ich hatte ein Projekt im Sinn, für das ich Zugang zum Archiv der Ausstellungsfotografien der Institution bekommen wollte. Nachdem sie mich auf mehrere Tausend Fotografien zugreifen ließen, ein eher kleiner Ausschnitt, ließ ich sie durch GANS (Generative Adversarial Network System) laufen, ein maschinelles Lernsystem für Bilder. Ich dachte, das Ergebnis würde so etwas wie den kleinsten gemeinsamen Nenner und vor allem die Architektur der Ausstellungsräume zeigen. Aber das Ergebnis war viel komplexer und interessanter. Das Programm erstellte hunderttausende von Bildern. Zusätzlich erhielt ich Zugang zu einem Archiv von Künstler*innenkorrespondenzen aus der Zeit zwischen den 1940er und 2000er-Jahren. Das waren vor allem eingescannte Postkarten und Briefe. Es gestaltete sich relativ schwierig, an diese ranzukommen, weil das Whitney Sorgen hatte, ich könnte daraus etwas erarbeiten, was das Museum schlecht aussehen lassen oder die Künstler*innen falsch darstellen würde. Ich habe sie letztlich bekommen. Aus den AI-generierten Bildern und den Korrespondenzen fertigte ich die Collagen. Dazu verwendete ich Photoshop-Tools, die derBildbearbeitung durch künstliche Intelligenz ähneln.


DEVIN KENNY
Ein ruhiger Ort um Schönes zu Vermehren, 2023
site-responsive paint installation, ink

PMR: Es sind also von dir und der KI gemeinsam erstellte Arbeiten?

DK: Das war die Idee! Ich wollte, soweit möglich, mit der KI zusammenarbeiten. Das war noch vor dem Hype und der massenhaften Verbreitung von KI-Bildgeneratoren, die wir dieses Jahr erlebt haben. Aber ich habe festgestellt, dass es keine Kollaboration im Sinne einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist. Ich füttere die KI mit bestimmten Materialien, sie kann nicht frei wählen und kann die Zusammenarbeit auch nicht aufkündigen.

PMR: Und weil du die Korrespondenz zwischen den Künstler*innen und der Institution verfremdest, deuten sich Geschichten in den Werken lediglich in beinahe poetischen Wortkonstellationen an. Das verbindet sie mit der Lampe von Franz West, die, wie oft in deinen Arbeiten, auch handschriftlich beschrieben ist und eine Geschichte erzählt. Um sie zu lesen, muss die Lampe mehrfach umkreist werden, aber auch dann bleibt sie lückenhaft.

DK: Ja, die Geschichten sind undurchsichtig. Es war ein Privileg für mich, Zugang zu diesen persönlichen Briefen zu erhalten und ich wollte die Beziehungen, die sich vor mir entfalteten, schützen. Das ist übrigens ein ähnlicher Vorgang wie beim Sampling im Hip Hop, wo ein bereits existierendes Material auf andere Weise verwendet wird. Man benutzt seine eigene Stimme auf einer existierenden Melodie. So habe ich mit diesen Briefen gearbeitet. Entstanden sind diese kryptischen Techno-Gedichte aus Versatzstücken, die teils sehr gefühlvoll erscheinen, aber verschlüsselte Worte bleiben.


DEVIN KENNY
Ein ruhiger Ort um Schönes zu Vermehren, 2023
site-responsive paint installation, ink

PMR: Ich dachte gerade, dass Creativity: Furniture Reversal, die zweite Skulptur von Franz West, die wir ausstellen, das sehr schön aufgreift, weil sie als eine Art „Conversation Piece“ funktioniert. Jede*r kann sich auf die Stühle setzen und unterhalten. Anfangs war ich allerdings vor allem deshalb an der Arbeit interessiert, weil sie aus billigen Materialien besteht. Sie wird als Box mit einer Anleitung geliefert, die auf den Anleitungen für Ikea-Möbelsets basiert und die Leute werden aufgefordert, die Arbeit selbst aufzubauen, um siedann mit Klebeband nach ihrem Geschmack zu gestalten. Es erscheint also sehr zugänglich und lowbrow, was mich an deine Praxis erinnert hat.

DK: Ja, sie ist mir sofort ins Auge gesprungen, als ich die Werkliste gesehen habe. Am spannendsten finde ich, wie er hier aus wenig viel macht. Und ich mag den Aspekt der Wiederverwendung! Der Tisch kann immer wieder auf- und abgebaut werden, das Tape abgemacht und anschließend neu arrangiert werden. Etwas mit einfachen Mitteln zu transformieren erinnert mich daran, wie ich als Teenager in den Dollar Store gegangen bin und Marker, Motoröl und Farbe gekauft habe, um daraus Materialien für Graffiti herzustellen. Es gibt also diese Einstellung bei West, dass man mit einfachen Materialien etwas herstellen kann, das die Dinge signifikant verändert. Diese Einstellung teile ich.


DEVIN KENNY, ongoing, individual adaptability - 12, 2023, UV-print on aluminum, NFT certificate, 40 x 40 cm, edition of 3 + 1 A.P.
Photo © the artist