Mit dem Werkszyklus Gnadenwald legt Carmen Brucic eine Serie Fotografien (120 cm x 180 cm) vor, die
um Phänomene kreisen, die durch Erfahrungen und Erlebnisse mit dem endgültigen Abschied
ausgelöst werden. Die schlichten, aber komplexen Motive die einen nächtlichen Wald bei Schneefall
zeigen, üben eine subtile Faszination auf die Betrachter aus. In einem Naturphänomen werden
sternenklare Nacht und Schneefall gleichzeitig erfahrbar. Das Licht, welches nur Ausschnittsweise die
Vegetation des Waldes und die bildliche Ruhe des Schnees beleuchtet, lenkt die Aufmerksamkeit der
Betrachter auf eine neue Ebene, wird die Dimension welche das Licht nicht erfasst spürbar;
Grenzziehungen verblassen, Räume lösen sich auf, eindeutige Identitäten verabschieden sich,
Abgründe tun sich auf und die Welt entschwindet.
Die Abbildungen erfassen so den Wald nicht nur in
seiner oberflächlichen Struktur als Ansammlung von Bäumen, sondern vor allem auch als einen
undurchdringlichen Raum voller Mythen, Gefahren und Versprechungen. Die Natur repräsentiert sich
hier als Sinnbild von Abwesenheit der Zivilisation und als Vereinigung von Angst im Dunkeln und der
Möglichkeit der Gnade. Der Wald wird somit zum Wald der Gnade. Diese ambivalente Gabe der Gnade
bedeutet allerdings nicht nur Vergebung sondern auch ein Ausgeliefert-Sein, denn Gnade kann nicht
erworben sondern immer nur empfangen werden.
Der Titel Gnadenwald muss aber noch auf eine andere Weise gelesen und verstanden werden. Der Name
steht auch für den kleinen Ort Gnadenwald in Tirol aus welchem die Künstlerin stammt. Somit stellen
die Fotografien neben einem erfassten und mythischen, auch einen emotional angeeigneten Raum da.
Unter diesen Fokus wird die Inspiration durch Gustav Mahlers Das Lied von Der Erde und speziell darin
die Partie Der Abschied ersichtlich. Fotografien als Verabschiedung und damit als Beginn eines neuen
emotionalen Felds, als Beginn von Sehnsucht.
Die Installation Gnadenwald von Carmen Brucic als eine abgeschlossene Arbeit innerhalb ihres
Schaffens zu interpretieren, wäre aber unzureichend. Bereits in der vorhergegangenen Serie von
Fotografien (Symmentrien des Abschieds, 2007-2008) behandelt sie das Thema des Lebewohls und des
Entschwindens. Die Werke sind somit immer schon Nachbearbeitungen und Vorstudien zu den
nächsten Projekten der Künstlerin. Damit ist Gnadenwald neben der Nachbetrachtung von Symmetrien
des Abschieds auch eine Aussicht auf den bevorstehenden Kongress über Mut (14. & 15. Dezember 2012,
Wiens neues Haus für Musik und Theater). Diese fruchtbare Beziehung zwischen Theater und bildende
Kunst ist es, welche das Schaffen von Carmen Brucic prägt.
Carmen Brucic wurde 1972 in Tirol geboren. Sie besuchte die Universität für Angewandte Kunst in
Wien, welche sie 1998 in der Meisterklasse für Grafik bei Walter Lürzer mit dem Diplom abschloss.
1999 Meisterjahr an der Akademie der Bildenden Künste Wien in der Klasse für Neue Medien bei
Peter Kogler. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Wien, Tirol und Berlin.
Wichtige Ausstellungen und Beteiligungen: 2008 Love will tear us apart Steirischer Herbst Medienturm
Graz, 2008 Via Crusis Baumwollspinnerei Leipzig, 2010 Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst
Mexikanische Botschaft Berlin, 2011 Gnadenwald Österreichische Botschaft Berlin, 2012 Gnadenwald &
Symmetrien des Abschieds Artist Art Archive Recheis Villa Hall in Tirol.
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