Gunter Damisch
Farbe als Material und das Zurückdrängen
der Komposition zugunsten einer Behandlung des Bildes als Objekt
und Oberfläche kennzeichnen Mitte der 80er Jahre die Malerei
von Brandl, Damisch, Danner, Scheibl und Zitko in Abgrenzung zum
klassischen Malereikanon. Für Damischs künstlerische
Entwicklung ist die Wechselbeziehung zwischen Malerei und Zeichnung,
zwischen den Möglichkeiten der in mehreren Schichten pastos
aufgetragenen Farbe und jenen der Linie als erzählerisches
Element bedeutend. Sein vitaler Umgang mit der Farbe verbindet
sich mit einer durchaus unorthodoxen, deutlich von der Zeichnung
herkommenden Formentfaltung.
"Mit der Entzerrung des Farbkonglomerates seiner Bilder
der achtziger Jahre gewinnt Damisch im Wesentlichen zwei Bildelemente:
die meist
zu einer insularen Form zusammengezogene Fläche und die mäandrierende
Linie. Flächen- und Linienelemente werden gewöhnlich
in größerer Zahl und ornamentaler Ordnung mehr oder
weniger gleichmäßig über das Bildfeld verteilt,
isoliert oder zu größeren Figuren aneinander gehängt,
deckend auf einen sich differenzierten Grund gesetzt. Dadurch,
dass Damisch die Überlagerung von Bildschichten mit der Entzerrung
des bildlichen Inventars verbindet, erreicht er für seine
neuen Bilder eine Kompaktheit, die derjenigen der älteren
entspricht, und kann dennoch seinem Hang zu geordneten und analytisch
nachvollziehbaren Verhältnissen nachkommen. Gleichzeitig nimmt
er eine eigenartige Interpretation der einzelnen Farbpartikel seiner
früheren Bilder vor: In dichter Reihung besetzt er die Konturen
von Farbflecken ebenso wie die das Bildfeld durchziehenden Lineaturen
und sogar gestische Markierungen oder die Spuren herabgelaufener
Farbe regelmäßig und nach außen weisend mit miniaturisierten
Zapfen, durch die er die verschiedenen Bildebenen einerseits miteinander "vernäht",
und die andererseits als Menschen gelesen werden können. Ein
bedeutender Unterschied zwischen den Bildern der achtziger und
neunziger Jahre ist der Unterschied zwischen Bildlichkeit und Schriftlichkeit
- Damischs Bilder sind nicht figurativ, sondern skriptural. Sie
verbinden die umfassende Ansicht des malerischen Feldes mit der
Lesbarkeit von bildlichen Chiffren, die ihrerseits den Feldcharakter
des Bildes (seine abstrakte Seite), reduziert auf den Kontext einer
Schrift. Sobald die Lesbarkeit einmal festgestellt ist, werden
alle Elemente des Bildes zu Gegenständen einer potentiellen
Lektüre."
(Ulrich Loock, Das Zeitgenössische in
heutiger Malerei, Katalog China retour, Mumok, Wien 2005).
Gunter Damisch gilt heute aufgrund seines unverwechselbaren, überzeugend
und konsequent formulierten Farben- und Formenrepertoires unumstritten
zu den international bedeutendsten Vertretern österreichischer
Gegenwartskunst.
Leiko Ikemura
Plastik, Malerei und Zeichnung entsteht in Leiko
Ikemuras Arbeit nicht isoliert voneinander, sondern vervollständigt
und beeinflusst sich gegenseitig. Allen Medien gemeinsam ist die
Erforschung existenzieller Gegebenheiten und die rätselhaften
Entstehungs- und Veränderungsmomente der Natur, für die
sie die Künstlerin in Anspruch nimmt. Die Arbeiten Ocean
Girls und Ducks, Girls, Blue weisen Charakteristika
auf, die für Leiko Ikemuras Malerei in den letzten Jahren
typisch sind: Die Darstellung von Figurengruppen und die Abbildung
von Mädchengestalten in der Grauzone zwischen Kindwesen und
Adoleszenz. Die Figurengruppen stellen eigentlich keine Gruppe
dar, da sie sich aus einem Einzigen heraus formulieren. Die Figurensäule
einerseits und die verdoppelte horizontale Linie andererseits weist
auf eine komplexere Räumlichkeit hin, die trotzdem bodenlos
ist. Mädchen ist somit an und für sich als Schwellenzustand
begriffen, was durch den transpersonalen Charakter der Gestalten
betont wird. Die archaisch, aber auch modern anmutenden Wesen befinden
sich am Meer, das sowohl den Ursprung des Lebens als auch den Grund
dieser Figurationen darstellt. Vergleich man diese Arbeiten Ikemuras
mit den eher gedrungenen, rundlichen und tierähnlichen Schlafenden
und Liegenden der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, zeigt
sich jetzt zum einen ein Wachstumsstadium mit verlängerten
Gliedern und geschlechtlichen Merkmalen, zum anderen ein komplexerer
Bildaufbau. Im übertragenen Sinne bildet der Schwellenzustand
der Mädchen also eine neue Phase in der Arbeit Leiko Ikemuras
ab. Wie die Titel nahe legen, befinden sich die Figuren in einem
maritimen Setting. Die feinmalerisch aufgetragenen, zarten Farbverläufe
des abstrakt anmutenden Bildes Flood reihen sich hier assoziativ
ein.
Die Zeichnungen der Serie Wellenwindwesen zeigen naturähnliche
Ereignisse, deren Figurationen knapp das Erzählerische unterlaufen.
Sie entstehen auf mehreren Transparentpapieren, deren übereinander
gelagerte Schichten einen besonderen Raum und eine besondere Bewegtheit
ermöglichen. Dieser Aufbau erinnert an den Herstellungsprozess
von Zeichentrickfilmen. In dem durch die mehreren Lagen angedeuteten
Raum erscheinen Figurenkonstellationen, die mitten aus einer rätselhaften
Geschichte entrissen scheinen. Die cinematographische Assoziation
wird jedoch von Bild zu Bild unterbrochen, da sich keine narrative
Szenenfolge erkennen lässt. Aus stetigen Variationen und Mutationen
einiger Bildzeichen bilden sich Bruchstücke von Geschichten.
Die immanente Kraft der Naturelemente erscheint dabei als Motivation
für die Entstehung von Ikemuras Figuration.
Auch in der Plastik zeigt sich wie in den anderen Medien, mit denen
Leiko Ikemura arbeitet, ein neu erwachtes Interesse an der Darstellung
von Momenten der Bewegung. Die hybride Wesensformation Figura
Li scheint gleichsam von ihrem Sockel fliehen zu wollen, und ist doch
in einer einzigen schwunghaften Geste mit ihr verwachsen.
Gunter Damisch *1958, lebt in Wien und Freydegg. 1978-83 Akademie
der Bildenden Künste, Wien (Prof. Max Melcher und Prof. Arnulf
Rainer). Preise u.a.: Römerquelle Kunstpreis (1983), Otto
Mauer Preis und Max Weiler Preis (1985), Anton Faistauer Preis
(1990), Preis der Stadt Wien (1995), Oberösterreichischer
Landespreis für Kunst (1998). Seit 1992 Professor an die Akademie
der Bildenden Künste, Wien, Meisterklasse für Graphik.
Seit 1981 ist Gunter Damisch bei allen bedeutenden Ausstellungen
zur neuen österreichischen Malerei vertreten, so 1986 bei
der richtungweisenden Ausstellung Hacken im Eis (mit Herbert Brandl,
Josef Danner, Hubert Scheibl und Otto Zitko), Kunsthalle Bern und
Museum des 20. Jahrhunderts, Wien, zuletzt 2005 bei Neue Abstrakte
Malerei aus Österreich in den wichtigsten chinesischen Museen
in Shanghai, Peking, Shaanxi, Guangzhou und im Mumok China retour.
Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, Gunter Damisch, Hubert Scheibl,
Walter Vopava, Otto Zitko. Seit 1981 zahlreiche internationale
Einzelausstellungen.
Leiko Ikemura *1951 in Tsu/Mie, Japan, lebt in Berlin und Köln.
1970-72 Studium an der staatlichen Universität in Osaka, 1973-78
Studium der Kunsthochschule in Granada. Seit 1991 Professor an der
Hochschule der Künste Berlin. Seit 1983 zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen
und internationale Einzelausstellungen in Museen und Galerien, u.a.
1987 Museum für Gegenwartskunst, Basel, 1988 und 2001 Musée
Cantonal de Beaux Arts, Lausanne, 2002 Kunstmuseum Liechtenstein,
Vaduz, 2005 Ulmer Museum, 2006 The Vangi Sculpture Garden Museum,
Mishima/Japan. |
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