Die Künstler beziehen
sich mit dem Titel der Ausstellung und der Aufmachung des
Buches, das zur Ausstellung im Verlag Schlebrügge. Editor
erscheint, auf den Innsbrucker Schriftsteller und Verleger Ludwig
von Ficker
(1880-1967). Dieser gründete 1910 die Zeitschrift Der Brenner,
die er bis 1954 herausgab. Er hatte engen Kontakt mit vielen bedeutenden
Künstlern und Denkern seiner Zeit, wie Karl
Kraus, Oskar Kokoschka, Adolf Loos, Rainer Maria Rilke, Else Lasker
Schüler und Georg Trakl, deren Entwicklung er auch als Förderer
begleitete. Bekannt ist die Donation Ludwig Wittgensteins, der
ihn mit der Aufteilung des zur Verfügung gestellten Geldes
beauftragte, und berühmt ist das Diktum Karl Kraus' über
seine Zeitschrift: "Dass
die einzige ehrliche Revue Österreichs in Innsbruck erscheint,
sollte man, wenn schon nicht in Österreich, so doch in Deutschland
wissen, dessen einzige ehrliche Revue gleichfalls in Innsbruck
erscheint." In
der ironischen Bezugnahme auf eine Zeitschrift und ihren Herausgeber
kann sich also ein ernster Hinweis darauf verbergen, dass sich
eine Stadt ihrer ulturellen
Leistungen zeitgemäß erinnern und sie, wo möglich, übertreffen
sollte.
Diese Ausstellung soll nicht nur den Besuchern Gelegenheit zum
Dialog mit den ausgestellten Werken und dem Möglichkeitsraum ihres
gegenseitigen Konnotierens geben, sondern sucht auch von sich aus,
mit dem kulturellen Umfeld Innsbrucks in Verbindung zu treten. Sie
zeigt von Clegg & Guttmann eine Reihe von Portraits, die in Innsbruck
entstanden sind und eine Gruppe der berühmten Fleisch Fotografien,
von Rudolf Polanszky eine Reihe seiner großen Tafeln (1996-2004)
Reconstructions aus Aluminium, Plexiglas und diversen anderen Materialien,
sowie Videos, Stillmontagen und Ensembles aus einen Grundlagenuntersuchungen
(Der musikalische Affe) und von Franz West Objekte, die bekannte
und neue Aluskulpturen als Modelle "collagiert" vorführen,
neue Skulpturen, darunter einige der Nippes, die Installation Madley
(1996/2004) und Collagen.
Wie es in einem Gespräch zwischen den Künstlern, das sich
im Katalogbuch nachlesen lässt, zum Ausdruck kommt, kann die
Collage als das Gestaltungsprinzip gelten, das die drei ausgestellten
Werkgruppen verbindet. Nun besteht der Witz der Collage ja gerade
darin, Gestaltungsprinzipien zu durchbrechen, und so erfährt
sie naturgemäß bei den unterschiedlichen Künstlern
eine jeweils ganz andere Ausprägung.
Während Franz West die Hochglanzwelt
billiger Zeitschriften und Werbebroschüren zerstückelt,
um sie als Zitate in seiner Ästhetik zu kritischen Anmerkungen
und Kommentaren umzuwerten, collagieren Clegg & Guttmann kunsthistorische
und soziologische Bezugnahmen als Hintergrund und Horizont ihrer
Fotografien, um die vermeintliche Einheit und Authentizität
dieses Mediums aufzubrechen und wirkungsmächtig Trick und Rhetorik
der Bildsprachen in Szene zu setzen.
Rudolf Polanszky dagegen tritt,
was die Collage betrifft, als Grundlagenforscher auf, der auf der
Ebene opaker Materialien und durchkreuzter Schemata unsere Interpretationsmechanismen
so zu reizen versucht, dass sie ihre Funktionsprinzipien preisgeben
oder zumindest erahnen lassen. Ob es nun aber die Emergenz von
Gestalten oder das Verstehen von Zitaten betrifft, im Grunde spielt
alles,
was uns in dieser Ausstellung in Bildern, Skulpturen und Modellen
vor Augen geführt wird, mit jenem möglichen Kippeffekt,
der die Interpretation offen lässt und uns auf uns selbst verweist.
Oder wie es in Der Brenner-Ausgabe vom August 1920 aus einer Vorrede
Jean Pauls abgedruckt steht: "Jeder verbessere und revolutioniere
nur vor allen Dingen statt der Zeit sein Ich; dann gibt sich alles,
weil die Zeit aus Ichs besteht. Er arbeite und grabe still mit
seiner Lampe an der Stirn in seinem dunkeln Bezirke und Schachte
fort ..."
Künstlerpublikation
DER FICKER
broschiert 23 x 15 cm, 272 Seiten, 48 Abbildungen
Beiträge von Clegg & Guttmann, Peter Cole, Jörg Heiser, Martin Kippenberger und Albert Oehlen, Benedikt Ledebur, Rudolf Polanszky, Georg Trakl, Franz West, Biografien, deutsch/englisch
Herausgeber Benedikt Ledebur
Schlebrügge.Editor, Wien und Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Innsbruck 2005
ISBN 3-85160-050-9
€ 24,80
Edition2005 - Franz West
Vorzugsausgabe Der Ficker mit Franz West Stuhl, nummeriert 1
- 79, von den Künstlern signiert,
Subskriptionspreis während der Ausstellung € 1.800,-.
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