Jessica Stockholder erregt mit ihren raumgreifenden Installationen
seit 1985 international großes Aufsehen (Artists Space, New
York 1985, Rotterdam/Chicago 1991, Münster/Zürich 1992/1993,
Dia Center for the Arts, New York 1995, Kunstnernes Hus, Oslo 1997,
Musée des Beaux-Arts, Nantes 1998, Kunstmuseum St. Gallen
2000). Auf beeindruckende Weise nimmt sie mit diesen temporären
Arbeiten die Räume völlig in Besitz und stellt dem Ausstellungsraum
einen Raum eigener Ordnung entgegen. Auf die spezifisch amerikanische
Struktur dieser Arbeiten ist mit Bezug auf die Einflüsse der
Happenings von Allan Kaprow, der Collage-Bilder von Robert Rauschenberg,
der Assemblagen von Edward Kienholz u. a. verschiedentlich hingewiesen
worden.
Ein zweiter, gleichrangiger Schwerpunkt im uvre Jessica
Stockholders sind ihre Studio-Arbeiten, die autonomen Charakter
haben. Die Auswahl der Materialien, der präzise kompositionelle
Aufbau, Bestimmung von Größe und Proportion finden hier
unabhängig von räumlichen Gegebenheiten statt. Diese Arbeiten
nehmen durch ihre bestimmte Plazierung in der Aus-stellung Bezug
zum umgebenden Raum, doch bleiben sie in sich geschlossene Gebilde,
wenn-gleich man in manche buchstäblich eintreten kann.
Jessica Stockholder, die zunächst Malerei, dann Skulptur
studierte, formuliert die Auseinander-setzung mit beiden Medien
in ihrem Werk: "Es war nicht so, dass ich aufgehört hätte,
Bilder zu malen und dann angefangen hätte, Skulpturen zu machen.
Ich mache immer noch Bilder, nur dass sie jetzt zugleich Skulpturen
sind". Ihre "Bilder", dreidimensionale Assemblagen
aus man-nigfachen Alltagsgegenständen, haben in ihrer Farbigkeit
tatsächlich großen Anteil an Malerei. Die Farbe behauptet
sich als abstraktes, eigenständiges Material, das wie eine
Haut unterschied-liche Objekte in Verbindung bringt und deren Objektcharakter
aufhebt. Sie fungiert als Ober-fläche, als Membran zwischen
dem Innen und Außen des Werks. Jessica Stochholder lotet die
Grenzen zwischen Malerei - als Arbeit an der Fläche - und Skulptur
- als Arbeit am Volumen - aus.
Stockholders sinnenfrohe, oft verblüffende Kombinationen
erreichen in ihrer inszenatorischen Anordnung einen hohen Grad an
Fiktionalität: "Es gefällt mir, das Gefühl zu
erzeugen, daß aus dem, was konkret und uns bekannt ist
aus dem, was wir für wirklich halten -, etwas anderes auf-steigt;
es gefällt mir, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass
etwas gleichsam Phantastisches zum Vorschein kommen kann."
Die Arbeiten von Jessica Stockholder sind ein Ort, an dem sich das
Persönliche mit der konkreten Realität vermischt. In ihrer
Sinnlichkeit und emotionalen Dichte liefern sie die Struktur für
unterschiedlichste Assoziationen, Erinnerungen und narrative Momente.
( Zitate aus Kat. Westfälischer Kunstverein Münster und
Kunsthalle Zürich 1992/1993, wiederaufgenommen in Kat. Sammlung
Götz, München 1998)
Jessica Stockholder, kanadisch-amerikanische Staatsbürgerin,
geb. 1959 in Seattle, WA, lebt und arbeitet in New Haven, CT, Professur
an der Yale University, New Haven, CT. Neben internationalen Ausstellungen
und Ausstellungsbeteiligungen erhielt sie den August-Seeling-Förderer-Preis
der Freunde des Wilhelm-Lembruck-Museums, Duisburg, Preisverleihung
und Ausstellung 2002, und arbeitet an einem Großprojekt für
die künstlerische Gestaltung des Flughafens Toronto.
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