Nachdem wir den in Berlin lebenden Künstler Frank Thiel (geb. 1966
in Kleinmachnow bei Berlin) bereits u. a. in den Gruppenausstellungen
DACH (1999) und Berlin-Binnendifferenz (2000) sowie auf zahlreichen
Kunstmessen im In- und Ausland gezeigt haben, freuen wir uns, nun die
seit langem geplante Einzelausstellung realisieren zu können.
In der Ausstellung zeigen wir Fotografien der Jahre 1999-2003.
Bekannt geworden ist Frank Thiel vor allem durch seine fotografischen
Aufnahmen
von Berlin, in denen er die architektonische Verwandlung der deutschen
Hauptstadt dokumentiert. „Thiel zielt mit seinen Arbeiten auf
die Aushöhlung des Ortes und der Zeit ab, auf das Wechseln der
Gesichter, das Überziehen von architektonischen Masken, die schnell
die Geschichte verbergen und die Bereitschaft Berlins für das globale
dritte Jahrtausend signalisieren wollen.“ (Kat. Remake Berlin,
Winterthur 2000)
Eine solche Stadtlandschaft zeigt das vierteilige Panorama des
Potsdamer Platzes (1999), das in der Ausstellung im Dialog mit
sechs neuen, sehr
abstrakten Arbeiten steht - Fotografien von Stahlgeflechten für
Fundamentplatten. Diese Bilder, die mehr den Charakter von Zeichnungen
als von Fotografien haben, verdeutlichen die Entwicklung in Thiels
Arbeit hin zu mehr Abstraktion.
Im linken Galerieraum präsentieren wir großformatige Arbeiten
der Serie “SK 76 / 2-Mp” , die Fassaden Ostberliner Schulgebäude,
alle erbaut aus vorgefertigten Stahlbetonfertigteilen, zeigen. Die verwendete
Montagebauweise “Wandbau 2-Mp” war für alle Schulbauten
in der DDR verbindlich. Das genormte Konstruktionsprinzip “Typenserie
66” wurde in der Hauptstadt der DDR jedoch durch die „Skelettbauweise
SK-Berlin” ersetzt, wodurch in Ostberlin ein eigener Schulgebäudetypus
entstand. Zwischen 1966 und 1981 wurden hier 164 Schulen in dieser Skelettbauweise
errichtet. In diesem Zeitraum wurde das Konstruktionsprinzip zweimal
(1971 und 1976) “rationalisiert”.
Die von Frank Thiel fotografierten Gebäude, deren Vorhangfassaden
durch horizontale Fensterbänder und farbige Verkleidungselemente
geprägt sind, wurden in dieser Form nur nach der “2.Rationalisierung” der “Skelettbauweise
SK-Berlin” im Jahr 1976 gebaut. Daraus leitet sich auch der Titel
der Serie“SK 76 / 2-Mp” ab: “SK” steht für
Skelettbauweise; “76” verweist auf die Errichtung nach 1976; “2-Mp” verweist
auf das Maximalgewicht der für dieses Konstruktionsprinzip verwendeten,
vorgefertigten Wandsegmente, welches aus transport- und montagetechnischen
Gr ünden auf 2 Megapond beschränkt war.
Grundidee der Serie ist es, ein architektonisches Modul/Raster
in ein fotografisches zu “übersetzen”. So wurde bei jeder
Aufnahme ein genau definierter Ausschnitt der Fassaden (11 komplette
Vertikalen und 2 Vertikalen im Anschnitt) fotografiert. Resultierend
aus der identischen Modulbauweise der Gebäude ergeben sich nahezu
identische Einzelbilder, aus denen sich durch Aneinanderreihung ein
fiktives Haus beliebiger Länge (re)konstruieren lässt. Das
Konstrukionsprinzip der Architektur findet also seine Entsprechung
im Konstruktionsprinzip der Fotoarbeit.
Ausstellungen (Auswahl): Art & Public, Genf (2002); Kunstverein
Ludwigsburg (2002); „After the Wall“, Moderna Museet, Stockholm
(1999); „Remake Berlin“, Fotomuseum Winterthur (2000); „90
60 90“, Museo Jacobo Borges, Caracas; „dAPPERTutto“,
48. Biennale di Venezia (1999), XXV. Bienal de Sao Paolo (2002),
Sean Kelly Gallery, New York (2002); Galerie Helga de Alvear (2003)

Frank Thiel
Stadt 2/55 (Berlin), 2002
c-Print
175 x 231 cm
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