Fischer/el Sani Pia Greschner Johannes Kahrs
Henrik Olesen Tobias Rehberger Frank Thiel
Die Ausstellung "Berlin - Binnendifferenz"
bietet einen konzentrierten Überblick über die junge Berliner
Kunstszene: nach der Ausstellung Berlin-Binnendifferenz Phase 1,
in der die Malerei den Schwerpunkt bildete, zeigen wir nun in Phase
2 praktisch ausschließlich Werke von Künstlern, die multi-medial
arbeiten.

Fischer / el Sani
Berlin hat sich in den letzten Jahren als das neue
Kunstzentrum Deutschlands etabliert. Der Ort Berlin hat einen Sonderstatus,
da viele internationale Künstler die Stadt als temporären
Wohn - und Arbeitsplatz wählen und somit wesentlich zur Vitalität
der Szene beitragen. Bemerkenswert ist, daß sich so eine extrem
heterogene Szene gebildet hat. Wir halten es daher für sehr
wichtig diese Entwicklung in Österreich zu präsentieren.
Fischer/ el Sani (*1965/1966), ein Künstlerduo, das seit 1993
zusammenarbeitet, beschäftigt sich in ihren Videoarbeit mit
dem Nichtsichtbaren als in "Tokyo (sur)face - 10 Sekunden an
die Zukunft denken" sind 20 japanische Jugendliche, die frontal
in die Kamera blicken und sich auf den unbekannten Film hinter ihrer
Stirn konzentrieren. Die Handlungslosigkeit der Einstellungen macht
es dem Betrachter möglich, tatsächlich zehn Sekunden lang
in ein fremdes Gesicht zu blicken und dessen Vorstellung zu imaginieren,
bis schließlich das unmerklich aufsteigende Denken an die
eigene Zukunft die Wahrnehmung des anderen Überlagert. Dieses
subtile und lautlose Modell einer Begegnung steht paradigmatisch
für die Arbeitsweise von Nina Fischer und Maroan el Sani; sowohl
das Nichtsichtbare, als auch sein Austausch markieren Versenkungsgebiete
ihrer Forschungen und fordern gerade dadurch immer wieder neue Visualisierungen
heraus. Zusätzlich werden Arbeiten eines neuen Projektes "L'
Avventura senza Fine" der Künstler zu sehen sein.Die Videokünstlerin
Pia Greschner ( * 1967) vermeidet in ihren Arbeiten weitgehend narrative
Zusammenhänge, reduziert das Dargestellte vielmehr auf den
Moment, eine in jeder Beziehung ausgewählte besondere Situation.
Anhand dieser momentanhaften Situation wird mittels Zeitregulation
und Farbmodulation eine digitale, videotechnische Landschaftsmalerei
erziehlt.

Johannes Kahrs
Die dargestellten Menschen scheinen keine Akteure
im eigentlichen Sinne zu sein, sondern ähneln vielmehr metaphysisch
diktierten Gestalten aus einer immateriellen Welt.
Beabsichtigt ist eine Verfremdung des Gewöhnlichen,
aus dem eine unwirkliche Dimension freigesetzt wird. Vertrautes
und Normales wird transzendent und der Realitätsgehalt nicht
mehr eindeutig identifizierbar.Johannes Kahrs (* 1965) arbeitet
mit Bildern, die er entdeckt hat und die voller offener Möglichkeiten
sind. Es sind Bilder großer Gefühle, Bilder, die in den
Medien, in der Geschichte des Kinos vorkommen.
"Bühnen" auf Podeste sind für
ihn künstliche Räume, in denen die Konstellation Bild,
Bühne, Ton und Licht von besonderer Bedeutung ist. Immer wird
der Betrachter in die Raum - Bildsituation mit eingebunden. Für
die Arbeit "Lovers" sind kurze akustische Ausschnitte
von Filmen von Antonionis "L' Avventura", über Bergmans
"The Silence" zu Polanskis "The Tenant", Scorseses
"Taxi Driver" und anderen, von einem Lied von Paul Anka
"Don' t ever leave me" und einem aus Mozarts Zauberflöte
"Das Bildnis ist bezaubernd schön" zusammen montiert.
Das ganze Spektrum der Liebe, Freude, Lust, Trauer,
Schmerz und Wut wird akustisch vorgeführt, durch die eigene
Perspektive der Töne entstehen nahe Räume der Intimität
oder der Gewalt und ferne Räume der Trennung. Die Geschwindigkeiten
und Lautstärken verbinden sich zu einem abstrakten Rythmus.
Durch diese Bearbeitung werden die Bilder artifiziell und formalisiert,
die Bildinhalte dadurch aber auch deutlicher, intensiver - ohne
wirklich anwesend zu sein. Die Arbeiten von Henrik Olesen finden
ihre Ausformung in Postern, Skulpturen oder architektonischen Interventionen.
Ob ein Poster, ein homosexueller Kater oder eine fragile Reh-Konstruktion
einer Skulptur von Sol Le Witt, der Prozeß demonstriert de
De-Konstruktion der Idee von Authentizität und kultureller
Produktion.
In den Mittelpunkt gerückt wird die Präsenz
von Minderheiten im Kontext von Geschichte, Gesellschaft und Institutionen
der Kunstwelt. Als Beispiel von architektonischen Interventionen
Henrik Olesens können die Reduktionen räumlicher Ausdehnungen
in Konfrontation zum menschlichen Körper gegeben werden: Türen
und Passagen werden verkleinert oder blockiert, Objekte werden zwischen
neu konstruierten Wänden gequetscht. Diese Markierungen zeigen
Territorien und Grenzen, wie sie in der heutigen sozialen Landschaft
vorkommen.
Durch die Verwendung von billigen, vorgefundenen
Materialien wie Styropor oder Karton, der Zerbrechlichkeit der Arbeiten
von Henrik Olesen wird die Stabilität unserer kulturellen Umgebung
in Frage gestellt. Für Tobias Rehberger (*1966) sind Design
und Architektur benutzbar, bewohnbar und gestaltbar.
Dinge, die ihn umgeben, die bereits gestalterisch
und funktional durchorganisiert sind, werden dekontextualisiert,
beziehungsweise neu entworfen, wodurch sie zum einen ihre (serielle)
Anonymität verlieren und Kräfte freigesetzt werden können,
die im Entwurf nicht vorgesehen sind.
Tobias Rehbergers Bücherregale sind Möbel
für das Heim, sind aber auch seriell aufeinander abgestimmt
wie eine Familie. Die Holzregale werden mit Büchern der gleichen
Cover-Farbe gefüllt - Hellviolett trifft auf Orange, Schwarz
auf Rot. Hier kann man den Koloristen Rehberger nicht verleugnen
und die scheinbar anonyme Meterware wird zum authentischen Künstleroriginal.Frank
Thiel (*1966) In gewisser Weise sind die Photographien von Frank
Thiel in ihrer Entwicklung Ausdruck des historischen Wandels in
Berlin. Er hat NVA Soldaten photographiert, und wie unter dem Weichzeichner
zu entr¸ckten Wesen einer vergangenen Epoche gemacht, nicht
mythisch, sondern dem Grad der politischen Entrückung entsprechend
ziemlich ironisch.
In der in Wien zu sehenden Arbeit beschäftigt
sich Frank Thiel mit berwachungskameras, angebracht überall
in der Großtadt, (in Eingangsbereichen, Kaufhäusern,
Gebäudeecken, etc.). Die urbane Aktivität wird aufgezeichnet
und gespeichert. Die Stadt wird ein einziges Filmset, in der sich
die Bewohner in der Rolle von Statisten wiederfinden.Die Ausstellung
wurde von Bettina M. Busse und Thomas Krinzinger kuratiert.
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Tobias Rehberger
Frank Thiel
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