
Es ist schwierig, das Werk von Angela de la Cruz bestimmten künstlerischen Richtungen zuzuordnen.
Ein großer Teil ihres Arbeitsrepertoirs entstammt dem Colorfield Painting: Die Ausweitung der Farbe, der
Umgang mit der Leinwand als wäre es ein Stück Stoff, und das fehlende Interesse an der malerischen Geste.
Weiteres Rohmaterial hat sie sich beim Objet Trouvé und Schrottskulpturen geliehen, wie man bei ihren aus
gebrauchten Möbeln bestehenden Arbeiten sieht – etwa bei Still Life (Table), 2000, ihrer Serie Clutter oder
Flood, wie in dieser Ausstellung zu sehen ist.
Formal sind ihre Werke klassisch, „Malerei-Malerei“, aber auf materieller Ebene sind sie Malerei, Skulptur
und Installation zugleich. Sie lässt der Bildoberfläche dabei eine akribische und luxuriöse Behandlung
zukommen – es gibt keinen Zentimeter Leinwand dem nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit gewidmet
wird. Dieser perfektionistische Prozess schlägt sich oft mit der eher rauen und verwahrlosten Erscheinung der
Endergebnisse, speziell bei ihren Skulpturen. Wie kann etwas ein Ding sein und gleichzeitig das Gegenteil?
Gerade darin liegt der Reiz am Werk von Angela de la Cruz.
1996 hat sie zum ersten Mal eine Malerei zerbrochen. Sie nannte sie Homeless, platzierte sie in einer Ecke,
und machte damit Boden, Wand und Raum zu Elementen der Arbeit. In weiterer Folge begann sie, einige
ihrer Bilder - zumeist monochrome – zu „dekonstruieren“, und ihnen einen objekthaften Status, eine beinahe
skulpturale Natur einzuräumen. Von da an findet man verdoppelte, ineinander verschränkte Keilrahmen - in
zwei Teile zerbrochene, in sich gefaltete oder auch verrenkte. Sie verlassen ihre frontale, zweidimensionale
Struktur und werden Skulpturen in Raumecken.
Wenn man zu dieser Praxis noch die Titel liest, mit denen sie ihre Werke tauft, spürt man, dass sie eine
Botschaft abgeben, die normalerweise eine emotionale Reaktion bei Betrachtern hervorruft. Durch die
Titel werden die Arbeiten zu „passiven Subjekten“, zu Opfern verschiedener Taten wie Ashamed; A broken
painting making a reverence; Homeless; Knackered; Ripped oder, wie in dieser Ausstellung, die Arbeiten
Battered und Bloated. Manchmal scheint es, als hätten ihre Werke eine Seele.
Die Arbeiten die sie in Wien zeigt sind dunkel, dreckig und sehen nass aus. „Ich habe mich entschieden
mit schlammigen Farben zu arbeiten, weil sie Dreckwasser nahekommen, was mich auch interessiert. Wet
handelt auch von „nassen“ Leuten, was auf Englisch auch begriffsstutzig und langsam bedeutet. Nass hat
auch eine sexuelle Konnotierung, die ich mag. Man könnte Wet also sexuell lesen. Sich im Matsch und Dreck
zu wälzen kann aufregend und erregend sein“ meint de la Cruz zu ihrer Serie.
Der Aspekt des Dreckigen, das nasse Aussehen und die sexuellen Referenzen sind drei Konzepte, die immer
Teil von Angela de la Cruz’ Werk waren. Auch mit Möbeln hat sie sehr oft gearbeitet. Für die Serie Clutter,
die 2003 in der Galerie Krinzinger gezeigt wurde, hat sie Kleiderschränke, Tische und Stühle verwendet.
Der Stuhl taucht als Motiv auch in Flood wieder auf. Er symbolisiert hier die Abwesenheit des Körpers und
gleichzeitig reflektiert er Lebensgröße und erinnert an reale Situationen.
Nichtsdestotrotz haben die Objekte ihre ursprüngliche Funktion verloren, und darüber hinaus war mehr die
Größe von ihnen ausschlaggebend für die Auswahl. Der Stuhl wurde von de la Cruz gewählt weil er körperliche
Präsenz und eine häusliche Relation suggeriert. Ein paar Jahre zuvor wählte sie die Kleiderschränke weil sie
gleich hoch wie sie selbst waren (153 cm). Die Bilder in der Ausstellung sind 123 cm hoch, was der Größe
der Künstlerin in ihrem Rollstuhl entspricht.
Auf jeden Fall stellen sich uns die beiden figurativen Skulpturen auf abstrakte Weise dar, wie viele ihrer
Malereien. Dabei geht es der Künstlerin mit der Ausstellung ums Überleben - und darum, was nach einem
Desaster übrig bleibt.
(basierend auf der Eröffnungsrede von Carlota Alvarez Basso)

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