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Otto Muehl, Theo Altenberg

Krinzinger Projekte
 09.06. - 10.07.2010

Vernissage: am Dienstag, den 08. Juni 2010, um 19:00 Uhr


OTTO MUEHL  curated by Theo Altenberg

Otto Muehl ist in seiner Kunst als "Destructor" und Tabubrecher besonders begehrt. Als Protagonist der "Direkten Kunst", als "Material-Schamane" und als Anarchist der Sprache hat er sich in den 60iger Jahren des Wiener Aktionismus den Platz in der Reihe der die aktuelle Kunstgeschichte prägenden Aussteiger erarbeitet.

Gemeinsam mit Günter Brus, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler (und den Künstlern Joseph Beuys und Dieter Roth) hatte Muehl die dunklen Seiten der symbolischen Macht mit der schrankenlosen Verwendung von vormals "hässlichen" Materialien adäquat zur Darstellung und die Hierarchien in den Kategorien des Ästhetischen zu Fall gebracht.

Er konnte 1971 mit erhobener Selbsteinschätzung feststellen, daß es nun darum gehen sollte, die Kunst ins Leben zu überführen. Muehl gründet eine Kommune und verabschiedet sich 1971 von der Kunstszene. Er wollte lieber den nächsten Versuch der Überwindung alter Normprogramme beginnen, als in der Haut der gestempelten Szenefigur des Skandal-Performers zu erstarren.

Es folgt die utopische, "paradiesexperimentelle" und tragische Geschichte der Kommune Friedrichshof im Burgenland. Nachdem die Kommunarden in ihren Selbstdarstellungsabenden eine neue Form der menschlichen Aussprache erfunden hatten, übernahm eine europaweite Ausbreitung dieser Lebensform den Lauf der Dinge.

In den 80er Jahren kehrt Otto Muehl mit Vehemenz zu den klassischen Medien zurück. Malerei, Video und Tanz. Der Anbetung des Spontanen folgte die Neudefintion des Konzeptuellen.

Muehl verwandelt sich zusehenst in den Zentral-Entertainer einer neuen KommuneKultur. Er ist Drehbuchautor, Regisseur, Märchenerfinder, Tänzer, Rollenspieler und leitet selbstverständlich den Aktzeichenkurs. Täglich. Er trat an opulenten Tanz- und Theaterabenden in der selbstgeschaffenen Kunstfigur Joe Karner auf und war Gigolo, "Maximo Lider" und "Geiler Wotan" in unmittelbarer Abfolge.

Das Jahr 1984 ist geprägt von der Arbeit an neuen Formen des Aktionsfilms. Zunächst waren es Ideen und Kommentare zu den Filmen der nächsten Generation und der Kinder (1980 - 1983). Mit dem Projekt eines Spielfilms über das (un)wirkliche InnenLeben des Vincent van Gogh beginnt eine Phase, in der die Malerei zum Bestandteil des Drehbuches und der Geschichte wird. Muehl malt im Film die Bilder des Helden (Mai - August 1984).

Parallel zum Film entsteht eine "van Gogh Serie", welche dieTabuthemen der Bilder der "12 Aktionen Mappe" (1970/71) wieder aufnimmt.  Was ist malbar, wenn das Geschehen im Bild über die vorstellbaren Vorstellungen hinausgeht ? Wenn sich auf den lustwandelnden, sonnendurchtränkten und messianisch aufgeladenen Leinwänden des heiligen Vincent Geschichten der Abgründe menschlicher Existenz ereignen.

Im Herbst des Jahres 1984 wird Muehl durch Pressefotos auf die Körpersprachen der bedeutensten Symbolfiguren monströser und zerstörerischer Macht aufmerksam. Hitler und Stalin. Er beginnt mit den gemalten Gegenüberstellungen von Pose und Anti-Pose. Hitler: fratzenhaft, hysterisch gestikulierend und in schreiender Erregung. Stalin alias Koba: stoisch, von starrer, fast steinerner Gestalt, einzig die Augen suchen in paranoider Aufmerksamkeit ständig nach möglichen Widersachern.

Hier beginnt die Ausstellung. Theo Altenberg stellt Beispiele von drei direkt aufeinanderfolgenden Werkkomplexen des Künstler gegenüber: "Die Diktatoren", "Papyrus 55001" und "Mutter mit Kind".

In allen Bildern dieser Serien wird die gleiche Technik verwendet: schattenlose Farbflächen gegen einen "brutalen" Umriss. Muehl erziehlt allein mit der Nuancierung der Farben, der Architektur der Körper im Bild, der unterschiedlichen Pastosität des Farbauftrags und der verschiedenartigen Definition des Rhythmus der Linie, eine Steigerung der Signifikanz der Themen.

 

THEO ALTENBERG     curated by Franz Graf
Theo Altenberg ist Wanderer zwischen verschiedenen künstlerischen Welten.
Der gebürtige Mönchengladbacher (geboren 1952) verließ nach einschlägigen Jugenderfahrungen (seiner Begeisterung für den bahnbrechenden Offensiv-Fußball der Mannschaft von Borussia Mönchengladbach) seine Heimatstadt, um seine künstlerischen Erfahrungen an der Werkkunstschule Krefeld in der Wiener Kommune des Aktionskünstlers Otto Muehl in die ästhetische Praxis umzusetzen.
Die radikalen Thesen dieser visionären Gemeinschaft: freie Sexualität, Gemeinschaftseigentum, Selbstdarstellung, gemeinsame Kindererziehung versuchten einen utopischen Ausstieg aus der "kleinbürgerlichen" Realität bezogen auf alle Lebensbereiche zu erreichen.
Altenbergs zwischen 1973 und 1978 entstandene Fotoarbeiten sind frühe experimentelle, künstlerische Annäherungen an den freien Geist und an die Sehnsucht nach neuen Formen der Individualität innerhalb dieser Gemeinschaft. Er rückt in seinen scheinbar inszenierten Kollektiv-Darstellungen so nah wie möglich an die damals allgegenwärtige These "Leben ist Kunst, Kunst ist Leben" heran.
Teil dieser Befreiung und ihrer Rollenspiele waren für Altenberg die spontanen Selbstdarstellungen in der künstlerischen Artikulation des Tänzers, Schauspielers und Musikers. Das dabei frei gewordene Potential artikulierte sich in Performances, den Spielfilmen der Kommune (als Hauptdarsteller in den Rollen von Vincent van Gogh, Pablo Picasso, Richard Gerstl und Andy Warhol), eigenen Videos und ab 1995 in den Projekten elektronischer Musik (Oder Nice, Das Es, Collaborations: Burnt Friedman, Kreidler, Tosca, Aphex Twin, DJ Hell, u.a.).
Als Otto Muehl sich in den späten Jahren der Kommune immer mehr zum autokratischen "Maximo Lider" entwickelte, wandte sich Theo Altenberg in einer Phase der inneren Isolation Spracharbeiten zu, in denen er den verborgenen Bedeutungen von Wortgebilden nachging: "Ich ordnete die Buchstaben zunächst wie auf einer Spielkarte, um in dieser panischen Situation den Begriffen ihre Einsamkeit deutlich zu machen. Eine Art Trauma-Poesie über den Untergang unserer Utopie."
Heute lebt Theo Altenberg in Berlin und arbeitet vor allem in den Medien Performance/Musik, Malerei, Sprache und Video.
Im Projekt "FAT OR GAS" in der Galerie Krinzinger konfrontiert Franz Graf, Künstler und der Kurator der Ausstellung, eine Auswahl der Kommunenfotos mit Arbeiten der letzten 30 Jahre und mit den zu Stickbildern umgesetzten Spracharbeiten der späten 80iger und frühen 90iger Jahre, deren Ausführung die Mutter des Künstlers übernommen hatte.

IN MEMORIAM FRANCESCO CONZ

Im Juli 2010 hätte der italienische Verleger, Sammler und Fotograf Francesco Conz  seinen 75. Geburtstag gefeiert. Ihm zu Ehren, der am 5. April verstarb, zeigt die Galerie Krinzinger im Rahmen ihres Otto Muehl-Schwerpunktes einen Raum "in memoriam Francesco Conz" mit Exponaten aus dem Archivio F. Conz.
Zu sehen sind Dokumente einer einmaligen Begegnung: Maler und Fotograf porträtierten sich gegenseitig.

1973 besuchte Conz, damals Möbelfabrikant und Inhaber der Galleria di Arte Moltiplicata in Venedig, auf Empfehlung Hermann Nitschs den Aktionskünstler Otto Muehl in der Praterstraße und war von dessen Aktionen überzeugt.
Conz verfolgte die Entwicklung der Muehl-Kommune von Beginn an als Fotograf und war regelmäßiger Besucher am Friedrichshof.
Unter den ersten Editionen, die Conz mit den Performance- und Fluxuskünstlern Charlotte Moorman und Nam June Paik, Carolee Schneeman, Goeffrey Hendricks, Dick Higgins und Alison Knowles, aber auch visuellen Poeten wie Gerhard Rühm produzierte, sind auch zehn großformatige Portfolios mit den Aktionen Otto Muehls.
Als Francesco Conz im Sommer und Herbst 1985 mehrere Wochen am Friedrichshof verbrachte, ließ er sich von Muehl und von den Kommunemitgliedern - Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen - in Serien portraitieren. Es entstanden treffende Portraits eines vielschichtigen Sammlers und großartige Zeugnisse des künstlerischen Potenzials, das Muehl bei seinen Schülern weckte und förderte.

Anlässlich seines letzten Besuches in Faro im April 2002 portraitierte der unermüdlich fotografierende Sammler Conz den Künstler Muehl fotografisch. Eine große Serie inszenierter „Grimassen“ öffnet den Zugang zu einem Künstler, der dämonisiert wurde und seine Privatsphäre hinter Posen und Gesten nur schwer verbergen konnte.