
Die Galerie Krinzinger zeigt in der North Gallery Martin Waldes neuestes
Hallucigenia-Projekt.
Hallucigenia ist eine ausgestorbene Tiergattung aus dem mittleren Kambrium
(vor 500 Millionen Jahren). Die winzigen Wesen, zwischen 25 mm und 3cm lang,
einem Wurm ähnlich, sind rundum mit Tentakel versehen, die zunächst eine
Orientierung von oben und unten, vorne und hinten unmöglich machten. Die
seltsame Erscheinungsform der bizarren Fossilie – einer Halluzination
ähnlich – führte zu dem Gattungsnamen Hallucigenia. Dieses wurmartige Wesen
hat durch die Rekonstruktionsversuche Geschichte geschrieben.
Wissenschaftler versuchten lange Zeit das merkwürdige Kleinsttier mit der
nicht erkennbaren Kopfregion zu rekonstruieren. 1992 hat man die
ursprünglichen Theorien und die Erscheinungsform von Hallucigenia auf den
Kopf gestellt - die Tierchen hatten auf der Körperunterseite zwei Reihen
tentakelartige Extremitäten und auf der Oberseite zwei Reihen stachelartiger
Fortsätze. Hallucigenia ist – mit über einer Million Eintragungen im
Internet - zu einem modernen Mythos geworden, zwischen Definitionssucht und
halluzigenem Rausch.
Für Martin Walde (geb. 1957) ist es das „Einhorn unserer Zeit“, ein modernes
Fabelwesen, dessen Erscheinung offen ist für Projektionen und
Interpretationen. Ab 1989 schuf der Tiroler Künstler kleine grüne
Hallucigenia Modelle im Verhältnis 10:1 und war fasziniert von dem, was
hinter dem urzeitlichen Tierchen steht: Glaube, Wissenschaft, Fiktion,
Ideologien, mediale Strategien etc. In der Folge entstehen die Hallucigenia
Products, eine Produktionslinie von Alltagsobjekten, die, in ihrer
Materialeigenschaft verändert, neue unerwartete Ergebnisse hervor bringen.
Wie bei einem Gegenstand, bei dem die Gebrauchsanweisung für eine eindeutige
Anwendung fehlt, ist man gezwungen zu experimentieren. Daraus ergeben sich
natürlich auch viele Fehlversuche, so wie bei der Rekonstruktion des Wesens
Hallucigenia. Die Hallucigenia Products sind keine Marke, sondern „ein Raum
für obsessive Wunschvorstellungen, die sich an die Mechanismen unserer
Waren- und Produktwelt anhängen“, so Martin Walde.
Seit 1989 erscheint Hallucigenia als Wesen, als Phänomen, als Begriff, als
sich veränderndes Bild wiederkehrend in den Arbeiten von Martin Walde.
Hallucigenia #1 und Hallucigenia #2 greifen die Form der Tierchen Ende der
80er Jahre wieder auf und werden diesmal mit raffinierter Technik umgesetzt:
In dünnwandig geblasenen Glaskörpern sind verschiedene leuchtende Gase
eingeschlossen, die flimmern und farblich leicht changieren. Wie
Leuchtröhren-Piktogramme scheinen sie geheimnisvolle Botschaften
mitzuteilen. Durch das sich bewegende Gas in den reagenzglasähnlichen Röhren
wird ein moderner Alchemismus heraufbeschworen, die rätselhaften Urzeitwesen
zu neuem, technoiden Leben erweckt.
Martin Waldes neuestes Hallucigenia-Projekt in der Galerie Krinzinger ist
ein Vorbote für eine große Soloshow, die er 2009 in den Galerieräumen zeigen
wird. 2009 wird auch eine umfangreiche Walde-Ausstellung im ZKM Karlsruhe zu
sehen sein. |
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