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Roman Ondák

  KNOLL GALERIE WIEN
  31. Mai - 29. Juli 2000

 

Eröffnung: 31. Mai 2000, Mittwoch, 19 Uhr


Roman Ondák: fünf oder sechs Beispiele von Maria Hlavajova
In den frühen neunziger Jahren schloß Roman Ondák philosophische, medizinische und kunstgeschichtliche Texte in Gefäße mit Formaldehydlösung. In Werken wie "Übersatte Tische" (96) simuliert Ondák den Kontext von für das Überleben unerläßlichen alltäglichen Verrichtungen wie der Nahrungsaufnahme und versieht Milchkartons mit Etiketten, die klassische Werke der Literatur oder der Kunstgeschichtsschreibung zitieren. Diese Werke sind über den Prozeß des Sammelns und als Reminiszenz an Werte zu verstehen, die von der Gesellschaft als außergewöhnlich betrachtet werden. Ondáks rezente Werke führen, namentlich in ihrer Brechung durch das Prisma der "Realität", eine im Oeuvre neue Interpretationsebene ein.

In "Nahe beieinander" (1997) bringt der Künstler das Nichts in die Galerie. Im Gegensatz dazu montiert er die Steckdosen von den Wänden ab, um sie in exakt derselben Höhe frei in den Raum vorzustellen. Während diese nun physisch näherrücken, wird andererseits die über die Verkabelung der Wände laufende Kommunikation unterbunden. Seit diesem Zeitpunkt ist die Entfernung von bzw. die Teilhabe an der Realität häufiger Gegenstand in Ondáks Werk. In "Kommunikativer Konsum" (1997) versteckt er einen Cassettenrecorder in einer Schuhschachtel und macht Tonaufnahmen vom Straßengeschehen. In weiterer Folge stellt und ordnet er die Aufzeichnungen dieser Gespräche Kuchenteigformen in Buchstabenform zu, welche zur Stärkung der Ausstellungsbesucher angeboten werden. Die entfernte, "intime" Realität der privaten Unterhaltung kehrt so - nach einem kurzen Stop in der Galerie - ins reale Leben zurück. Das zwischen Realität und Institutionalisierung von Kunst liegende Feld bleibt Thema im Werk "Durch die Augenlinse" (1999), welchem der Charakter archäologischer Ausgrabungen anhaftet. Das das Territorium schützende Zelt bringt uns von der kulturellen Institution in eine andere (die reale?) Welt: eine angrenzende Küche. Die Küchengeräte sind durch eine Öffnung leicht auszumachen. Die Funde, die vom "Hier" ins "Dort" übersiedelt werden, erscheinen ebenso überraschend vertraut: Plastikflaschen, Bierdosen, Zuckerwürfel und Zutatenpäckchen. Durch Ondáks Sichtweise erfahren wir die Banalität unserer eigenen Realität. Dieser neue Kontext, in dem eine kulturelle Institution präsentiert wird, verschiebt die Problematik. Der Künstler selbst geht emotionslos von der Grabung ab. Er ist weder an einer visuellen Definition des künstlerischen Eingriffs noch an einer Ordnung, die das Verstehen des Ganzen als "Kunstwerk" ermöglicht, interessiert. Weit mehr lockt ihn die Möglichkeit, die vergeblichen Anstrengungen des Betrachters, das Werk zu komplettieren, aus der Distanz zu betrachten. Aber seine Haltung ist keine zynische. Im Gegenteil stimmt er mit der kreativen öffentlichen Auseinandersetzung mit einem "anderen"Werk überein - der Bestätigung, dass es keine große Erzählung gibt sowie dem Bekenntnis zu einem Werk, welches primär jenseits seiner materiellen Realisierung und in seinem Verhältnis zur realen Welt und zu individualisierten Interpretationen existiert. ...
Doch was passiert, wenn wir die Dinge ein wenig ändern? Ersetzen wir Zufall durch Intention und denken wir uns den Künstler irgendwo als Reisenden in Bewußtsein eines ähnlichen Projektes: als jemanden, der sein Verhalten der Logik des Kunstwerks unterordnet und der präzise den Ort erkundet. Denken wir ihn uns als Umherblickenden, der "veristische" Zugeständnisse an andere machen muß, da wir ja ein "Mehr" und ein "Besser" des Erinnerns von ihm erwarten. Und stellen wir ihn uns vor im Glauben, dass verbale Artikulation auch in seinem Fall zu beträchtlich verschiedenen Resultaten führt. Und damit auch näher an die Realität? ...
(übersetzt aus dem Englischen von Gunter Vogl)