Die Köpfe-Serien von Ákos Birkás
"Insociabilité du personnage, insensibilité du
spectateur, voilà, en somme, les deux conditions essentielles."
Henri Bergson, Le rire. Essai sur la signification du comique
Die neuen Serien der Köpfe von Ákos Birkás zeigen
ironische oder skeptische, zurückhaltende oder auffordernde
Gesichter. Wie in einer Momentaufnahme blicken die Gesichter aus
diesen Gruppenbildern. Doch wir können in Stunden, Tagen, Wochen
wiederkehren, es werden immer dieselben Gesichter sein. Die Malerei
ist tatsächlich statisch und unveränderbar, obwohl sie
Bewegung inkludiert. Im Unterschied zu einem fotografischen Augenblick
hat aber der Augenblick im Bild so nie existiert.
Wieso irritiert eine so gewohnte Situation, die wir aus traditioneller
Porträtmalerei, aus der Fotografie bis hin zur Werbung oder
Propagandakunst zur Genüge kennen? Ungewohnt ist eine solche
Präsentation im Rahmen der Leinwand, der Malerei, trotzdem
sie uns bekannt erscheint. Unerwartet ist sie auch von einem Künstler,
der sein Thema der Köpfe, indem er sich von der
Museumskunst hin zu einer kommunikativen, offenen und
für alle verständlichen Bildsprache der Medienwelt orientiert,
weiterentwickelt hat.
In der Malerei geht es um das Sichtbarmachen einer dauernden Abwesenheit.
Zwischen Zeit und Raum füllt diese Malerei eine Abwesenheit
mit dem Schein der Anwesenheit. Eigentümlich empfindet man
dabei die Zeitlosigkeit dieser unmittelbaren Begegnung mit Menschen.
Die Bilder implizieren ein Vorher, Während und Nachher. Zum
Einen bringt das der Prozeß einer Malerei mit sich, die von
einer fotografischen Nahaufnahme ausgeht. Zum Anderen konstruiert
die sublime Montage auf der Bildfläche mit Farbe und Überschneidungen
einen Rhythmus, der die Intervalle zwischen Nähe und Ferne
bestimmt. Nach und nach verlieren die Personnagen den Bezug zum
Realraum.
In einem extremem Weitwinkelformat aneinander montiert bilden die
Gesichter eine Art Blicknetz und werden zu Metaphern ihrer Präsenz
in einem sozialen Geflecht. Ihre suggestive Wirkung erhält
dieses Ensemble durch die Dominanz der einzigen wirklichen Beziehung,
die sie zusammenhält: der Blick nach Außen auf ein fiktives
Gegenüber.
Indem wir im Bild zwischen den teils herankommenden, teils zurückweichenden
und im Hintergrund verblassenden Gesichtern wechseln, entsteht somit
ein ein individuell zusammengefügtes Ensemble. Im wesentlichen
beziehen sich also die Bilder auf jedes beliebige soziale Geflecht
aus wechselnden Kontakten. Diese Bilder stellen nicht bestimmte
Personen dar, sondern Charaktere auf einer Bühne. In diesem
Sinne handelt es sich um das Auf- und Abtreten von Personnagen auf
einer Leinwand, die ein Projektionsfeld von verschiedenen Attitüden
im gesellschaftlichen Netz bildet. Blickcodes und Posen sind in
unseren Alltag mittels Plakatwände oder Fernsehen längst
integriert. Undhier wie dort handelt es sich um eine konstruierte
Bildwelt, die auf eine suggestive Wirkung zielt und eine Aura der
Unmittelbarkeit und Intimität schafft. Dadurch entsteht in
den Bildern unwillkürlich auch eine komische Situation, zumal
die Personnagen sich bewußt ansprechend mit positiven Signalen
präsentieren.
Die Malerei von Ákos Birkás erzählt auch von
der Bedeutung des Wechsels von Orten und reagiert auf persönliche
Begegnungen des Künstlers mit Menschen. Im Gesamtgefüge
ergibt sich daraus eine subtil-ironische Analyse des sozialen Geflechts,
ein subjektives Erleben von intimen oder flüchtigen Kontakten,
die dem ständigen Wechsel von Nähe und Distanz unterworfen
sind. Eine Kette aus Reaktionen wird auf diese Weise erfahrbar:
eine Reaktion des Malers in Vorausschau der Betrachtersituation
auf die Kontakte, eine Reaktion der Personnagen auf den Maler selbst
und auf ihre Sichtbarwerdung im Projektionsraum. Und nicht zuletzt
werden wir selbst zu einer Reaktion aufgefordert. Das Verhalten
und die Verknüpfungen innerhalb der Gesellschaft bilden eine
Ausgangsposition insofern, als sie in Einzelteile zerlegt im virtuellen
Raum ständig neu "montiert" werden. Diese Abläufe
sind wiederholbar wie in einer Zeitschleife.
Margarethe Zink und Ákos Birkás, Wien
2002
Ákos Birkás |
1941 |
in Budapest geboren |
1959-65 |
Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Budapest,
Fach Malerei |
1966-84 |
Lehrtätigkeit an der Fachschule für Bildende und
Angewandte Kunst, Budapest |
1989 |
Herderpreis, Wien
Stipendium der Stadt München, Feldafing, Villa Waldberta
|
1990 |
Professur Sommerakademie Salzburg
Arbeitsstipendium des Folkwangringes, Gästehaus Museum
Folkwang, Essen-Werden
|
1991 |
Professur Sommerakademie Salzburg |
1992 |
Lehrauftrag École Nationale des Beaux-Arts
Arbeitsstipendium des Französischen Kulturministeriums,
Dijon
|
1993 |
Professur Sommerakademie El Cabrito, La Gomera, Teneriffa
Arbeitsstipendium des Landes Brandenburg, Künstlerhaus
Schloß Wiepersdorf
|
1995/96 |
daad-Stipenium, Berlin |
2000 |
Stipendium Internationales Künstlerhaus Villa Concordia,
Bamberg |
seit 2001 |
lebt und arbeitet in Wien und Budapest. |
KNOLL GALERIE WIEN UND BUDAPEST ist mit den neuen Bildern von Ákos
Birkás auf der
kunst wien 2002, 17.10. - 20.10.2002
Gezeigt werden Ákos BIRKÁS, András BERNÁT,
Alexander BRENER / Barbara SCHURZ, Ivica CAPAN, Csaba NEMES, PP
Group: Katarina Sevic und Zita Majoros, AES+F
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