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Wenn Paul Flora in Wien auftritt, ist Weihnachten
nicht mehr fern. Jedes Jahr um diese Zeit tritt er mit einer
Musterkollektion von kleinen und größeren Proben
auf Zeichnungen und Radierungen, die von Humorigem und
seiner Lieblingslandschaft zehren. Das ist jene, die sich von
Venedig, der Lagune nordwärts zieht bis ins Friulanische.
Jetzt bildet die Galerie Gerersdorfer jenen Ort, zu dem Floras
Freunde pilgern. |
Kristian Sotriffer (Die Presse)
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Das ist eine kleine Auswahl der in der Galerie erhältlichen Radierungen von Paul Flora
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Viele Zeichnungen und Radierungen von Paul Flora - auch fertig gerahmt - stets lagernd.
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Paul Flora betreffend
Der Zeichner und der Schriftsteller, diese
Zwillinge, sind Erzähler. Sie fabulieren, berichten,
träumen, klagen an, spotten, lachen und schwärmen.
Zu allem braucht man Welt: Palmen, Gesichter, Pluderhosen,
Kirchenportale, Kentauren, Blumentöpfe, Karyatiden,
Generäle und reisende Engländer. Beide Zwillinge
hantieren mit Stift und Feder. Beide schreiben, was sie
zu erzählen haben, auf Papier. Der eine bedient sich
der Buchstaben. Der andere schreibt in Bilderschrift.
Und er hat den beneidenswerten Vorteil, daß seine
Geschichten, Anekdoten, Pamphlete, Hymnen und Humoresken
nicht übersetzt zu werden brauchen. Für den
Zeichner gibt es keine Fremdsprachen. Er schreibt in der
Muttersprache aller Völker. Paul Flora ist ein Bildschriftsteller.
Er ist ein Literat. |
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Ich hege große Bewunderung für Paul Flora.
Er gehört zu den Zeichnern, die unsere Epoche zu bereichern
vermögen und ich staune immer wieder über seine
Ideenvielfalt. Ich ziehe brüderlich meinen Hut vor
ihm. |
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Paul Floras VenedigBilder sind die Impressionen
eines Melancholikers, der dem Tageslicht die Dämmerung,
dem Harten, Festumrissenen das nur vage Angedeutete vorzieht.
Doch was das Wunderbare an diesen Zeichnungen ist: erreicht
werden diese Stimmungen zumeist mit dem härtesten
und schärfsten Zeichen-gerät, der Stahlfeder,
die Paul Flora mit unglaublicher Leichtigkeit zu handhaben
versteht. Als feines, durchsichtiges Filigran liegen die
Tuschestriche auf dem Papier und verdichten sich, wo Dunkel
gefordert ist, zu gewebeartigen Schraffuren. |
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Paul Flora durchschaut die Welt, er will
sie nicht ändern. Er ist ein scharfer Beobachter
und ein sanftmütiger Beschreiber, und wie er Verständnis
hat für die Fehler der Menschen, so hat er Verständnis
für die Schwächen der Dinge, ihr Brüchigwerden,
ihren Verfall, ihre Einsamkeit. Sein Humor ist nie entblößend,
er ist eher maskierend; Paul Flora steht auf Seiten der
Opfer, und oft umgeben die Striche eine Sache schützend
wie ein Verband aus zartestem Gewebe, selbst mit den Vogelscheuchen
hat er Mitleid, schenkt ihnen eine winzige Krone oder
einen riesigen Federschmuck, gibt ihnen ein Strichbündel
als Rute in die Hand, flickt ihr ausgefasertes Gewand
mit dichteren Fäden. |
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Der Tiroler Paul Flora ist der Denker und Grübler
unter den Karikaturisten. In seiner zeichnerischen Dialektik
setzt sich die Gegenwart mit der Vergangenheit auseinander
und verliert die Partie. Flora ist nicht ohne Traurigkeit.
In seinem Werk sind Welten untergegangen und wir ahnen,
daß auch wir untergehen. Die Gegenwart scheint von
der Vergangenheit umklammert, kommt nicht von ihr los,
wird selber zur Vergangenheit, wird von ihr verschluckt.
Nur auf dem Umweg über die Vergangenheit wird daher
eine Aussage über die Gegenwart möglich: die
Gegenwart liest sich an ihrer Vergangenheit ab. Paul Flora
schreitet rückwärts in die Zukunft. Das scheint
unzeitgemäß in einer Zeit, in der jeder, der
da pinselt, schreibt oder komponiert, gleich die Gegenwart
verändern will. Doch ist es nicht unwissenschaftlich.
Schließlich treiben wir in einem Meer von Vergangenheit
dahin, lehrt die Astronomie. Die Sterne, die uns umgeben,
sind Vergangenheit, und blicken sie auf uns, glotzen ihnen
Dinosaurier entgegen. |
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