Von 18. Mai bis 10. Juni werden in der Galerie Hubert Winter Arbeiten
gezeigt, die sich dem Thema Reisen in transformierter Form nähern:
als Übersetzung in eine Sprachskulptur bei Lawrence Weiner,
als poetische Wegbeschreibung bei Hamish Fultons Fotografien und
bei Richard Nonas "Mozarts Mother" als Infragestellung
von "Zivilisation" und "Wildheit" in Mexiko.
Die schwimmenden Bootsnamen von Ian Hamilton Finley lesen sich in
diesem Kontext als Synonyme für Aufbruch in die Ferne. Michael
Höpfner verfremdet seine Wüstenlandschaften in Grauschattierung
ähnlich einem Satellitenfoto und Fritz Rücker ironisiert
in seiner Videobearbeitung gefundener Bergpanorama- und Meeresfotos
die Absonderlichkeit von Reiseimpressionen.
Die Reisenden sind dazu verdammt, von den Häusern, in denen
die seßhaften Menschen alt werden, nur die Wände mit
ihren Farben und ihren rein architektonischen Kuriositäten
zu sehen. Ich war ein solcher Reisender. Auf kleinen alten Dampfern
auf arabischen Daus von einem Ufer dieses tiefen Höllenkanals
zum anderen hin- und herfahren, auf die Uferwälle Afrikas und
Arabiens springen mit solchen hektischen Bewegungen kann
man nicht allzu lange Freiheit vortäuschen. Es ist, als wenn
sich eine Art Metallkugel in einem drehte: sie verletzt die inneren
Organe, je mehr man sich bewegt, desto schlimmer wird es.
Die Fenster sind vor den Reisenden verschlossen, weil sie sich
für verpflichtet halten, überall, wo sie hinkommen, allen
Leuten das reisen zu empfehlen. Jedermann weiß, daß
sie die Feinde derer sind, die sich lange in einem Zimmer aufhalten
können, deshalb sind ihnen die lebenden Wesen verschlossen
wie hermetisch abgedichtete Kugeln. Sie reisen immer weiter und
warten auf das Wohlwollen eines glücklichen Zufalls, als ob
diese willkürliche Mischung von Ursachen das Werk eines Gottes
wäre, der Belohnungen austeilt. Aber ein hartnäckiger
Mensch, der sich von seiner willentlichen Bindung an einen Ort und
an eine bestimmte Handlungsweise, von einer soliden Methode nicht
die Leidenschaftlichkeit nehmen läßt, kann diese Ursachen
in seine Macht bekommen und sie entwirren. Wer bleiben, ohne zu
erröten "meine Bleibe" sagen können will, muß
die wirkliche Macht lieben. Die Reisenden und Entflohenen sind nur
die lächerlichen Zeugen einer menschlichen Ohnmacht.
(Paul Nizan, Aden (1931)
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