Ausstellungsliste nach Galerien
 Ausstellungsliste nach Künstlern

NOSTALGIA

Nikolay Sardamov, Zwetelina Alexieva, Lili Ploskova (Lila Pix) (Bulgarien)

  GALERIE V & V
 24.02. - 08.04.2006

Vernissage: am Donnerstag, dem 23. Februar 2006, um 19:00 Uhr


Es kommt ein Punkt im Leben, ab dem es interessant ist, zurückzublicken. Man schaut sich an, was heute bei Groß und Klein „in“ ist und vergleicht es unwillkürlich mit dem Wertesystem, mit dem man aufgewachsen ist. Unter dem Strich wechseln plus und minus einander ständig ab. So haben wir drei uns auf die Suche gemacht nach dem, was von unserer Kindheit in der heutigen Zeit übrig geblieben ist. Wir fragten uns auch wie wir die damalige Zeit von heute aus sehen.

Oh wie wunderbar, nichts ist so, wie es war...
Wenn drei Menschen aus dem Osten, die Schmuck und Textil gestalten, zurückblicken, sehen sie vieles, was es heute nicht mehr gibt. In ästhetischer Hinsicht ist das in der Regel kein Verlust, aber wir wollten nach den Ausnahmen suchen. Was ist immer noch oder schon wieder interessant, wertvoll, spannend,  kurios oder einfach nur schön?

Der Spiegel, die Mandel und andere Goldstücke
Als Schmuckmacher waren wir erstaunt, wie langsam sich die Vorlieben in Bezug auf Goldschmuck in unserem Land ändern. Noch heute sind Ringmodelle Renner, mit denen sich unsere Mütter und Tanten geschmückt haben. Diese Ringe haben ein gewisses Eigenleben entwickelt und tragen eigene Namen: die Mandel, das Piano, der Spiegel.

Wir versuchten ihre (verborgene) Schönheit in unserem Sinne an den Tag zu bringen.

* Nikolay Sardamov hat die ursprünglichen Ringformen auseinander genommen und wieder zusammengesetzt. Das Ergebnis sind „mehrstöckige“, opulente Broschen in Silber.

* Gehäkelte Tischdeckchen, auch ein unverzichtbarer Bestandteil der Heimdekoration, hat Zwetelina im Computer nachgebildet, auf hauchdünnes Blech übertragen und in klarem Plexiglas gerahmt, um ihre musealen Qualitäten hervorzuheben.

* Lili Ploskova hat sich die goldgeflochtene „Spitze“ aus alten Ringen ausgeliehen und daraus ein Stoffmuster entwickelt. Aus den in Stoff übertragenen Ringen sind kleine (Oper-) Abendtäschchen entstanden.

Schwarz
Vor Jahren war Farbe in unserer Heimatstadt Sofia etwas Seltenes. Sie hat oft an einen Schwarzweißfilm erinnert. Als Untermalung der Ausstellung benutzen wir einen schwarz-weißen Wandfries aus alten Fotos... 

* Es ist der Kontrast zwischen hellem und geschwärztem Silber und Perlen bei Zwetelinas Schmuck.

* Nikolay verbindet gelochte Platten aus Alpaka mit schwarzen Gummibändern zu flexiblen Anhängern und Armschmuck.

* Lili Ploskova präsentiert schwarze Taschen aus edlem Leder. Auf der Suche nach Widersprüchen hat sie Taschen mit Kinderzeichnungen mittels  Siebdruckverfahren gestaltet.

Das Lebendige
Die Formenvielfalt, die die Natur hervorbringt, ist die Komponente unserer Erinnerungen, die über Zeit und Ideologie erhaben ist. Sie ist eine umso stärkere Inspirationsquelle.

* Nikolay und Zwetelina präsentieren mit Vergnügen zahlreiche Beispiele zeitloser Schönheit von natürlichen Formen und Strukturen aus dem Pflanzenreich.

* Lili Ploskova arbeitet mehr mit der „tierischen“ Hälfte der Natur. Hier finden Sie „Happy animals“ – eine Serie von (Schal-) Pelzen aus 100% Polyester.

Matrjoschkas und Briefmarken
Mit einem Augenzwinkern werfen wir einen Blick zurück auf den alltäglichen Sozialismus. Da waren zum Beispiel die offiziell gepflegte Freundschaft mit dem russischen Volk und die Präsenz russischer Kultur.

* In Nikolays Broschen repräsentieren sich die Matrjoschka-Puppen. Sie werden erst zerstückelt  und dann versöhnlich in eine Silberfassung gesetzt, so dass die Puppengesichter mit ihren langen Wimpern dem Betrachter kokett Seitenblicke zuwerfen.

* Zwetelina hat das Potential von Briefmarken als Zeitdokument entdeckt. Sie spiegeln sowohl das Zeitgeschehen, das Wertesystem der Gesellschaft sowie den Stil der aktuellen Bildgestaltung wider. Aus Briefmarken als Vorlage sind Broschen entstanden.

* Das berühmte „9 Mal Ineinanderstellen“ der Mtrjoschka-Puppen hat Lili auf die Idee gebracht, Taschen und Portemonnaies von gross über mittelgross zu klein ineinander zu verstecken.

Einkaufstüten, Glasperlentörtchen und Plastiktischbedeckung
Schönheit im Alltäglichen zu finden ist eine lohnende Beschäftigung für den Gestalter. Das Verarbeiten von „unedlen“ Materialien führt zu anderen, „erfrischenden“ Ergebnissen.

* Nikolays Schmuck aus Glasperlen in rosa, saftiggrün und blau erinnert an Architektur mit Zuckerguss. Erst beim genaueren Hinsehen kann man die sorgfältig berechneten Proportionen und das clever durchdachte Steckprinzip erkennen.

* Einkaufstüten aus Plastik sind eine Plage und nicht gerade sehr umweltfreundlich. Es sei denn man benutzt sie als Ausgangsmaterial für Schmuck, so wie Zwetelina. Dann bieten sie eine angenehme Leichtigkeit und Farbigkeit und lassen sich zu Broschen verarbeiten, die an Blüten oder Meeresbewohner erinnern.

* Es gibt eine gemeinsame, stark geprägte Erinnerung von uns Dreien: die  Plastiktischbedeckung. Diese hat sich Lili als Material ausgesucht. Ein Tick (oder Trick),

der bis heute in Bulgarien am Leben gehalten wird. Plastiktischtücher, oft schlecht oder fehlerhaft bedruckt und unbedingt geschmacklos, verwandelt sie in Geldbörsen.