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Eva Tesarik (A)

"nature born"

  GALERIE V & V
 11.05. - 18.06.2005

Vernissage: am Dienstag, dem 10. Mai 2005, um 18:30 Uhr


Der rohe, ungeschlifferne Bergkristall trifft auf ein barock Füsschen, dass vielleicht einmal als Verzierung einer Schmuckschatulle diente. Die Grenze zwischen diesen beiden vergangenen Welten ist dort wo die Jetzt - Zeit beginnt - due Welt der Schmuckkünstlerin Eva Tesarik. Ihre Vorgangsweise ist die einer Sammler- und Forscherin. Gesammelt wird alles, was ihr Interesse erweckt: Materialien, alte Schmuckfragmente, Uhrenteile, Photos, historische und biologische Abbildungen oder Geschichten wie die vom ersten Nashorn in Europa, das als Geschenk an den portugiesischen König noch Lissabon verfrachtet wird, tragisch im Meer versinkt und viele Künstler - auch Dürer - zu phantastischen Fabelwesen inspiriert. Die Abbildungsgeschichte des exotischen Tieres aus dem 16. Jahrhunderts wird im 21. Jahrhundert vorangetrieben: Dürers Holzschnitt transformiert in einer von Tesarik in Silber gegossenen Miniatur-Version, die durch einen geschliffenen Bergkristall von der Aussenwelt abgeschottet wird - vereint als Schmuckstück. Ähnlich wird mit einem Biskuitdornröschen, Spendenabzeichen des nazianalsozialistischen Winterhilfswerkes verfahren; dem alten Umfeld entrissen, mit einem geschliffenen Bergkristall versehen und einer ungewöhnlich breiten modernen Fassung neu zusammengesetzt, ist es vom Nazimief befreit. Die Prinzessin, als Brosche transformiert, erwacht wieder zu neuem Leben... Die wie bei einer Kette aneinandergereihten Uhrengehäuse aus den dreißiger Jahren fungieren als Zeitfallen. Statt mit beweglichen Zeigern und Zifferblatt ausgestattet, die Jetzt-Zeit anzeigend, "fassen" sie photographische Momentaufnahmen- Photoauschnitte, die verschiedene Zeitabschnitte repräsentieren: Kaiserin Sissys Haarpracht, ein Soldat aus dem Ersten Weltkrieg, Hitlers Militär-Stiffel, Die Detonation der Atombombe, die erste Mondlandung, eine Computertastatur, Chromosome... Erst die daraus entstehenden unterschiedlichen Assoziationenketten ergeben die Jahrhunderskette. Die gleiche Methodik wird auch bei der Kette vom Urknall bis zur Entstehung der Erde und bei der Kette aus Ultraschallbildern, die die Entwicklung des Fötus bis zum eigenständig lebensfähigen Baby aufzeigt, angewandt. Mit den handtellergrossen Feder-, Schaffel-, Wachsobjekte ist die Arbeit von ihrer eigentlichen Funktion, die des Schmückens befreit, stattdessen eröffnet sich dem Betrachter eine neue Welt der Sinne. Das ursprüngliche nicht unbedingt nur positiv besetzte Material der fedrigen Abfallreste eines Tieres wird durch das Wachs gebunden und neu formiert. Die archaisch wirkenden Objekte evozieren im Betrachter den Wunsch des Angreifens vielleicht deshalb, da sie ihre haptische Entstehungsgeschichte durch Druckstellen und Form erahnen lassen. Aus diesem Experiment entsteht eine neue thematsiche Versuchsanordung. Ausgangspunkt sind die Abdrücke prähistorischer Tiere - Fossilien. Silber- oder Kupferbleche werden nach Skizzenvorgabe ausgeschnitten. Sie sind Träger körperlicher Abdrücke von anscheinend menschlichen bis zu fiktiven Lebe- wesen, -formen. Eines der Objekte ist ein (haptisches) Angreifinstrument ähnlich einer Gebetskette oder eines orthopädischen Knetbällchens. Die anderen erhalten wieder die Funktion von Schmuck. Sie können gezielt als Kette oder Brosche am Körper eingesetzt werden. Wenn man das Tragen von Objekten (Schmuck) als eine körperliche Interaktion definiert, vermittelt dieser Schmuck auch eine Sinneserfahrung. Um diese homogene Welt der Abdrücke zu brechen, wird sie mit Bestandteilen aus einem künstlichen, botansichen Mikrokosmos konfrontiert. Nicht nachvollziehbare Stücke von Plastikblumen verbinden sich mit den Abdrucksplatten...

Daniela Leupold-Löwnhart