Diese Ausstellung vereinigt vier Positionen zeitgenössischer
Malerei, die in ihrem Zusammenspiel einen großen Reichtum
und die nahezu unbegrenzte Flexibilität des künstlerischen
Mediums unter Beweis stellen. In ihnen vereinigen sich die konträrsten
Referenzen avantgardistischer Vor-kämpfer, und zugleich demonstrieren
sie eine nie da gewesene Autonomie und Rückbesinnung auf die
unteilbaren Grundbedingungen ihrer selbst. Wir können in der
Entwicklung der letzten zweihundert Jahre immer wieder das Bemühen
erkennen, den inneren und äußeren Rahmen des Tafelbildes
zu sprengen und die der Malerei innewohnenden spirituellen und realistischen
Kräfte zu komprimieren. In diesem Jahrhundert lassen sich die
unterschiedlichsten Strategien beob-achten, mit denen der imaginäre
Tiefenraum des Bildes mehr und mehr an die Oberfläche der Leinwand
gelockt wird. Aber auch hier macht die Malerei nicht Halt und geht
seit geraumer Zeit über diese Schwelle hinaus, in den realen
Raum des Hier und Jetzt.
In die dreidimensionalen Collagen von Jessica Stockholder (geb.
1959 in Seattle, WA, lebt und arbeitet in New Haven, CT) können
wir physisch eintreten. Ein zur Form gewordenes Chaos von sinnenfroher,
fast verspielter Mannigfaltigkeit aus Materialien, alltäglichen
Gegenständen und Farben hat den revoltierenden Geist der frühen
Pop-Art-Assemblagen hinter sich gelassen. Wenn ihre Arbeiten sich
in die vorgegebene Architektur einfügen und vom realen Raum
profitie-ren, so bleiben sie doch in sich geschlossen. Anders verhalten
sich die großen wand- und raumbezogenen Malereien von Katharina
Grosse (geb. geboren 1961 in Freiburg/Breisgau, lebt und arbeitet
in Düsseldorf und Berlin). Sie betonen die vertikale Fläche
der Wand und führen einen intensiven Dialog mit den Proportionen
der Architektur. Trotz und gerade wegen des Verzichts auf jegliche
individuelle Handschrift sind ihre Flächen auf Leinwand,
Papier oder als Wand-malerei Membranen von pulsierender Lebendigkeit,
die den Prozess des Malvorganges in ihrer lichten Transparenz bewahren
und in den ganzen Raum ausstrahlen.
Herbert Brandl (geb. 1959 in Graz, lebt und arbeitet in Wien)
und Robert Zandvliet (geb. 1970 in Terband, Holland, lebt und arbeitet
in Rotterdam) bleiben im Bild und doch erweitern sie es ganz entschieden.
Die reale Außenwelt als Landschaft mit ihren Stimmungen wird
nicht geleugnet, jedoch wird sie nicht in impressionistischer und
expressiver Scheintiefe dargestellt. Die Ober-flächen sind
vielmehr Schauplätze heftiger malerischer Auseinandersetzungen,
in denen die ambivalenten Einlassungen mit den verführerischen
farblichen Möglichkeiten ihren Niederschlag gefunden haben.
Hier wird auf dem schmalen Grat von Emotion und Authentizität
balanciert. Ganz offen hat sich Robert Zandvliet zur Landschaft
bekannt. Aber auch hier wird schnell klar, dass es keine Abbilder
sind, sondern "Malerei-Landschaften", als hätten
sie sich selbst gemalt. Die ausgreifenden Formate und die mit breiten
Farbbahnen "geschriebenen" Kompositionen spielen, ähnlich
wie Brandls offene Strukturen, mit unserer von Erwartungen festgezurrten
Wahr-nehmung. Solche Werke laden nicht zu kontemplativer Versenkung
ein, sie sind dynamisch, wie aus einem fahrenden Zug gemalt. Und
auch sie verharren nicht auf dem Bildträger, sondern kommen
auf uns zu, versetzen den Raum in Bewegung.
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