Ausstellungsliste nach Galerien
 Ausstellungsliste nach Künstlern

Art Basel 2004

  GALERIE nächst ST STEPHAN
 16.06. - 21.06.2004

 

Eröffnung: am Mitwoch, den 16. Juni 2004, um 11:00 Uhr


Art / 35 / Basel / 16-21 / 6 / 04
Halle 2.0 / Stand K5
mobil 0043 664 33 88 173

Öffnungszeiten:
16. -20. Juni 11-19 h / 21. Juni 11-17 h

Josef Albers, Herbert Brandl, Helmut Federle, Bernard Frize, Katharina Grosse, Imi Knoebel, Sol LeWitt, Robert Mangold, Brice Marden, Joseph Marioni, Agnes Martin, Manfred Pernice, Karin Sander, Jörg Sasse, Adrian Schiess, Jessica Stockholder, Günter Umberg, James Welling, Robert Zandvliet

ART 35 Basel / Art Unlimited 2004
Günter Umberg, 1942 in Bonn geboren, lebt und arbeitet in Köln, in Freiburg/Breisgau und in Corberon/Frankreich. Seit 2000 Professur an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Karlsruhe, Leiter der Außenstelle Freiburg.

Fontfroide - Ein Bilderhaus entstand in Zusammenarbeit mit
Michael Staab/Projektleitung,
Marco Ferri und Alistair Overbruck/Realisation

16. - 20. Juni 11 - 19 Uhr
21. Juni 11 - 17 Uhr

Halle 1.0 Stand A7
Fontfroide – Ein Bilderhaus

Unter dem Titel "Fontfroide" realisiert Günter Umberg eine raumgreifende Installation, die modellhaft für eine zukünftige Arbeit steht.

"Fontfroide" beschäftigt sich - der Titel bezieht sich auf das gleichnamige Zisterzienserkloster in Südfrankreich aus dem 12. Jahrhundert - mit wesentlichen Fragen nach der Präsentation und Repräsentation von Kunst im allgemeinen und des Bildes im besonderen. Inspiriert von einem Spielkartenhaus und dem Turm von Wladimir Tatlin von 1920 entwickelte Umberg bereits 2002 anlässlich der Ausstellung "Das Museum, die Sammlung, der Direktor und seine Liebschaften" im Museum Moderner Kunst in Frankfurt/M. und 2003 zum 20-jährigen Jubiläum der Galerie Rolf Ricke komplex aufgeladene Präsentationsformen, um Arbeiten vor allem anderer Künstlerinnen und Künstler zu "zeigen".

In der Arbeit "Fontfroide" spitzt Günter Umberg diese Umgangsweise noch zu: Auf der Basis eines Gerüsts aus unbehandelten Vierkanthölzern und verschieden großen Kuben plant er eine über vier Meter hohe architektonische Struktur. Den Kuben sind ca. 50 Werktitel von ca. 50 Künstlerinnen und Künstlern zugeordnet, die für Umbergs Verständnis von Malerei bedeutsam sind. Würden diese Arbeiten tatsächlich in die Kuben integriert werden, ergäbe sich ein vielschichtiges Gesamtbild: Hintereinander gelehnt und vor allem in den weiterentlegenen höheren Bereichen kaum noch erkennbar, würden sich viele Bilder dem Blick entziehen. Der Themenstellung, welche Bedeutung das gemalte Bild einnimmt und welcher der richtige Umgang damit ist, begegnet Umberg in seiner Arbeit mit einem ganzen Arsenal möglicher Fragestellungen zum Verhältnis Autonomie und Autorenschaft von Kunst und Künstlern. Vielleicht tragen nicht alle der von ihm potentiell eingeladenen Künstlerinnen und Künstler diese Präsentationsweise ohne Widerspruch mit. Günter Umberg sieht darin jedoch keine grundsätzlich negative Haltung, sondern ein weiteres wichtiges und sachliches Argument im aufgeladenen Terrain zwischen künstlerischer Identität und gesellschaftlicher Relevanz von Kunst. "Fontfroide" ist ein kritisch reflektiertes Bilderhaus, mit dem Günter Umberg seinen KünstlerkollegInnen ein hohes Maß an Wertschätzung entgegenbringt. Und dies im Sinne eines aktiv gehaltenen Fragenkatalogs über die Möglichkeiten malerischer Haltungen.

Dorothea Strauss, Direktorin Kunstverein Freiburg

Jan Thorn-Prikker im Gespräch mit Günter Umberg
Günter Umberg: Kunst mit Kunst zum Zweck der Kunst

Der Bilderturm, den Sie in Basel präsentieren, ist eine Überraschung. Er scheint mir etwas Neues in Ihrem Werk zu sein. Bislang verbindet man Ihre Haltung doch eher mit einem Stichwort wie „radikale Malerei“, statt mit einer Skulptur. Gibt es eine Kontinuität innerhalb Ihrer Arbeitsweise, an die der Bilderturm anknüpft?

Ich handle auch bei meinem Bilderhaus vor allem als Maler. Ich selber spreche von einem Modell. Zwei Aspekte meiner malerischen Handlung sind mir immer bewusst und wichtig gewesen. Das Malen der Bilder im Atelier unter Ausschluss der Öffentlichkeit (Das Private). Das Tragen der Bilder in einen Raum, um für sie einen Ort zu finden (Das Öffentliche).

Die malerische Praxis ist immer mit der Reflexion meiner Umfelder eng verbunden. Malerische Praxis bedeutet auch das Reflektieren über Kunst, im Besonderen über die Malerei. Die Reflexion schließt aber auch den Kontext der Bilder ein, z.B. das Wirkungsgefüge von Farbe und Farbmaterie, das Verhältnis von Farben und Träger, das Wechselspiel von Bild und Raum, die Inszenierung des Bildes, den Dialog der Bilder miteinander in unterschiedlichen räumlichen Situationen.

Mich bewegen Fragen: Wie treten Bildkörper und menschlicher Körper in Beziehung? Was sind die Bedingungen der Kontaktaufnahme?

Aus dieser Haltung heraus ist 1982 in Köln der „Raum für Malerei“ entstanden. Ein Ort, an dem ich über sechs Jahre hin malerische Haltungen von Künstlern gezeigt habe, die für mich wichtig waren. Malerische Praxis heißt hier, immer wieder von neuem die konkreten Bedingungen des Bildes - und jene, die über das Konkrete hinaus zielen -, zu erforschen. Im Fall des „Raums für Malerei“ war der Ort, der Raum, oder das Gehäuse ein „White Cube“ von ca. 9 x 6 x 4 Metern. Aber schon hier wurde Raum nicht als gegeben, nicht als neutral begriffen.

Die Beschaffenheit des Raumes und die damit verbundene differenzierte Form der Wahrnehmung der Werke verweisen auf die besondere Rolle des sich Bewegens und sich Verhaltens des menschlichen Körpers. Bild, Raum und menschlicher Körper bedingen sich, sind zu einander ausgerichtet, erschaffen erst den sozialen und ästhetischen Raum.

Sie haben immer wieder Ausstellung gemacht, in denen Sie ihre eigenen Arbeiten im Kontext von Werken anderer Künstler präsentiert haben. Als Künstler haben Sie sich nicht hermetisch abgeschlossen gegen andere, sondern eher ungewöhnlich, als Künstler die Nähe zu anderen Künstlern gesucht und betont.

Ausstellungen wie „Supervision“ (1993), „Devant und derrière la Lumière“ (1996) „Wetterleuchten“ (1997) und besonders „Und wandelt mit bedächt`ger Schnelle vom Himmel durch die Welt zur Hölle“ (1999), wie ich sie in der Galerie nächst St. Stephan, Wien, inszeniert habe, oder „Body of Painting“ im Museum Ludwig in Köln (2000), zeugen von dem Wunsch, Bestimmungen des Bildes in Beziehungen zu anderen Bildern neu zu erproben. Die Ausstellung „Perpetuum Mobile“ (Galerie Rolf Ricke, Köln 2003) war die erste Ausstellung, wo die Bilder die Wand verließen. Hier entwickelte sich etwas, was heute zur skulpturalen Dimension angewachsen ist. Die Bilder wurden integraler Bestandteil der Architektur, sie tendieren selber zu Architekturen.

Ihre Konzentration auf den Aspekt der Präsentation haben Sie in der Frankfurter Arbeit radikalisiert. Sehe ich das richtig, dass Sie dort eine Form der Ausstellung gewählt haben, in der die Ausstellung als Form selber in Frage gestellt wird?

Der Malerei-Raum, den ich 2002 mit Bildern der Sammlung im Museum moderner Kunst, Frankfurt, eingerichtet habe, spitzt das Problem auf besondere Weise zu. Hier wurden auch Bilder gezeigt, die sich nicht sichtbar in einem – wie ich es nannte – „Behältnis“ befanden. In Frankfurt arbeitete ich mit einem hermetisch geschlossenen Kubus von ca. 8 x 3 x 5 Metern. Er war zusammen mit den gezeigten sichtbaren Bildern so platziert, dass dem Betrachter unterschiedliche Befindlichkeiten und Annäherungen ermöglicht wurden. Es ging um Anwesenheit und Abwesenheit, um einen neuen Aspekt von Präsenz.

Wie unterscheidet sich das Bilderhaus in Basel von Ihrer Frankfurter Arbeit?

Der Bezug zur Frankfurter Arbeit ist insoweit interessant, handelt es sich doch in beiden Fällen um ein Gehäuse, um eine spezifische Art von Haus. Es ist Behältnis unserer geistigen Situiertheit, in ihm ist Gedächtnis und Einbildungskraft eingelagert. Das Haus ist unser erstes All. Es ist unser „irdischer Kosmos“. Das Frankfurter „Behältnis“ ist ein hermetisches Wesen. Es ist Zentralisierung, Bündelung unserer Einbildungskraft.

Das Baseler Bilderhaus dagegen ist auch Vorstellung eines vertikalen Wesens. Es ist Haus und Turm zugleich. In ihm kann man Höhe und Tiefe mit „bedächtiger Schnelle“ gleichzeitig ermessen. Es geht um permanente Verwandlung. Es ist zugleich eine Hommage an das Tafelbild. Großartige Bilder haben eine unergründliche Tiefe. Sie sind absolute Imagination, absolute Sublimierung, die jede Gier transzendiert. Die Aktualität des Sublimen. „Sublime is now.“ (Barnett Newman)

Ihre Baseler Arbeit bezeichnen Sie als Modell? Warum?

Das Bilderhaus ist ein Modell, Kunst zum Zwecke der Kunst. Ich benutze hierbei ein Spielkartenhaus und den Turm von Wladimir Tatlin als Metapher. Diese Aspekte liegen wie Folien übereinander. Sie durchdringen sich gegenseitig als spielerisches und visionäres Element.

Der Turm besteht aus Modulen, die wie ein Rahmenwerk fungieren. Mal groß, mal kleiner, schmal oder breit, mal fast quadratisch, dann wieder hochkant in die gesamte Raumhöhe strebend. Sie fügen sich mit den eingestellten Tafeln zu einem Raumgebilde. Die gedachten und angesprochenen Bilder sind somit integraler Bestandteil des Gebäudes. Sie sind Bauelemente und Inhalte des Turms zugleich, Hülle, Schutz, Geborgenheit und Entblößung. Fragil, raumdurchlässig, nicht gefestigt, immer im Zustand des Sich-Erneuern-Wollens, nicht begehbar, aber zu umgehen. Das Ganze auf einer Basis ruhend, von da aus in die Höhe strebend, mit anderen Einsichten.

In Basel verzichten Sie darauf, das Modell, die Rahmenkonstruktion mit den Werken anderer Künstler tatsächlich zu füllen. In Frankfurt haben Sie noch Werke zitiert, auch wenn diese unsichtbar waren.

Radikalisieren Sie Ihren Ansatz noch einmal? An der Stelle, an der eigentlich wirkliche Kunstwerke ihren Platz im Bilderhaus finden müssten, stehen jetzt nur Verweise in Form von leeren Bildtafeln. Könnte man Ihre Baseler Arbeit als „leere Form“ bezeichnen?

Der Begriff der leeren Form gefällt mir. In diesem Konzept zielt die Abwesenheit von Originalwerken auf Fragen wie Anwesend- und Abwesendsein, auf Sehnsucht, Erinnern und Vorstellen. Die leere Form ermöglicht mir das eigene Werk mit anderen Werken in eine neue Ordnung übergehen zu lassen.

Der Titel der Arbeit bezieht sich auch auf das Zisterzienserkloster „Fontfroide“ in Südfrankreich aus dem 12. Jahrhundert und verweist auf den Anspruch des Ordens, einen Neubeginn in einer neuen Geistigkeit zu suchen, gegen die Opulenz des Klerus und die rein schmückende Verwendung der Bilder.

Das Baseler Bilderhaus stellt Fragen nach der Bestimmung der Bilder. Welche Handlungsfreiheit hat man im Umgang mit den Werken? Vermag der Künstler sein Werk zu entlassen, es in eine andere Verantwortung weiterzugeben?

Jedes gelungene Werk muss einen Überschuss an Kraft besitzen, um mit anderen Werken ein Gebäude zu errichten!

Meine Vorstellungen von Bildern wachsen mit Bildern. Seit vielen Jahren schon ist bereits ein Bilderhaus in meinem Kopf entstanden. Jetzt versuche ich, das, was im Kopf ist, was aus einem Erlebnis der Erfahrung mit Bildern entstand, zum gebauten Bild zu machen. Das Bilderhaus ist ein Archiv, das aus mir heraustritt. Ich trage das schon lange mit mir herum. Das hat sehr viel mit erfahrener Zeit, mit Erfahrung, zu tun. Wenn man Bilder liebt, dann lässt man sie auch nicht los.

Jan Thorn-Prikker im Gesprä mit Günter Umberg / 14.5.04