Ausstellungsliste nach Galerien
 Ausstellungsliste nach Künstlern

Claudia Larcher

face2face

 Galerie Lisi Hämmerle
 18.07. - 22.08.2020


Eröffnung am 17. Juli um 19:00 Uhr
Es spricht: Miriam Kathrein – Werkraum Bregenzerwald
im Galerieraum zur Eröffnung Maskenpflicht und 1 m Abstand halten



bild
©Bildraum-Claudia Larcher, courtesy Galerie Lisi Hämmerle

Unsere digitale Kommunikation lässt zunehmend den Text hinter sich. Bilder beginnen zu Dominieren, oft sind es einfache Piktogramme wie in der Frühzeit der Schriftkultur – Emojis sind ein global verbreitetes Beispiel. Diese „Bildschriftzeichen“, wie die wörtliche Übersetzung aus dem Japanischen lautet, transportieren eine Bandbreite verfügbarer und vorgefertigter „Emotionen“. Diese Illustrationen emotionaler Zustände durch stilisierte Gesichter sind immer eindeutig: Jedem „Smiley“ ist ein ganz bestimmtes Gefühl zugeschrieben das der/dem Empfänger*in der Botschaft vermittelt werden soll. Missverständnisse, in der digitalen Kommunikation mangels realen Angesichts vorprogrammiert, sollen damit weitgehend ausgeschlossen werden. Das Missverständnis ist die Urangst der Kommunikation. Schon Ludwig Wittgenstein schlug vor, der potenziellen Konfusion durch eine Frühform von Emoticons entgegenzuwirken: denn Wörter, die Gefühle ausdrücken oder persönliche Erlebnisse beschrieben, brächten ihm zufolge „eine bestimmte Art von Verwirrung oder Verwirrungen“ mit sich – „Wenn ich ein guter Zeichner wäre, könnte ich mit vier Strichen unzählige Gesichtsausdrücke hervorbringen“, meint er in seinen „Vorlesungen über Ästhetik“ und fügte übrigens an dieser Stelle tatsächlich drei einfach gezeichnete „Smileys“ als Beispiele ein.1

Emojis scheinen in der Kommunikation also durchaus praktikabel zu sein, vor allem in einer Zeit des schnellen globalen Austauschs, in dem Barrieren, wie sie Sprache und Text mit sich bringen, schon aus Gründen der Effizienz möglichst zu vermeiden sind. Die Kehrseite: Die Gesichtchen ersetzen dabei unser eigentliches Antlitz. Sie sind Markierungen dessen, was wir wirklich denken und fühlen.

An diesem Punkt setzt Claudia Larchers neues Projekt face2face. Es basiert auf einer Auswahl von acht beliebten Emoji-Varianten, wie wir sie wohl alle mal in Chats verwenden:
Einem Tränen lachenden, einem gerührten, einem genervt-nachdenklichen, einem lächelnden, einem neutral blickenden, einem fröhlich-frechen, einem unglücklichen und einem verliebten. Diese digitalen Piktogramme ließ Claudia Larcher im November 2019 im Zuge eines Artist-in-Residence-Programm in Kooperation mit der one world foundation in Sri Lanka von singhalesischen Maskenschnitzern ins Analoge übertragen. Der Ort Ambalangoda
an der westlichen Südküste Sri Lankas ist berühmt für seine traditionelle Maskenschnitzkunst. Die dort produzierten Masken wurden ursprünglich von der Bevölkerung bei Tanzritualen zur Vertreibung böser Dämonen benutzt, heute dienen sie eher touristischen Zwecken. Larcher ließ die acht Emoticons auf traditionelle Weise als Masken schnitzen und setzte damit Zeichen und Rituale in Verbindung, wie sie – eigentlich – unterschiedlicher nicht sein können. Und doch gibt es einen gemeinsamen Link: den Hinweis auf die Maske als Symbol für den Verlust des (natürlichen) Gesichts. Hans Belting stellte in seinem Buch Faces. Eine Geschichte des Gesichts in unserer heutigen Mediengesellschaft einen endlosen Konsum „von Gesichtern“ fest, „die sie selbst produziert“.2

Mediale Gesichter haben das natürliche Gesicht in der Öffentlichkeit verdrängt, das Publikum werde mit „Gesichtsklischees“ bedient, die sich aus der Bindung vom lebenden Körper abgelöst hätten, so Belting. Gesichter, Körper haben heute bestimmte Rollen inne, sind an sich maskenhaft. In Larchers Video, das aus dem face2face-Projekt heraus entstand, tragen Angestellte der one world foundation reglos die geschnitzten Emoji-Masken. Sie erinnern ein bisschen an August Sanders Menschen des 20. Jahrhunderts, fotografische Porträts von Menschen aus den 1920er-Jahren, die ihre jeweilige berufliche Rolle und ihren gesellschaftlichen Status in den Vordergrund rücken. Aber ihre Geschichte, ihre Identitäten sind in ein doppeltes Spiel verwickelt: Sie sind durch die Maske getilgt, das kulturellem oder gesellschaftlichem Kontext vollkommen enthobene Emoji-Antlitz ist an ihre Stelle getreten. Auch Historizität, etwa die koloniale Geschichte Sri Lankas, scheint gleichermaßen unsichtbar gemacht. Und dennoch stellen ihre geschnitzten Maskierungen Zeugnisse dar. Sie sind greifbare, analoge Werkzeuge, um die bösen Geister der digitalen Welt zu vertreiben.
Text: Ines Gebetsroither

[1] Ludwig Wittgenstein, Vorlesungen und Gespräche über Ästhetik, Psychologie und Religion, Hg. v. Cyril Barrett, Eberhard Bubser, Göttingen 1966, S. 19 und 23 (https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/goToPage/bsb00077529.html?pageNo=19, aufgerufen am 4.7.2020).
2Hans Belting, Faces. Eine Geschichte des Gesichts, München 2013, S. 214.