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Hanakam & Schuller

Hot & Steamy

Galerie Krinzinger
 31.03. - 28.05.2022

Eröffnung: 30. März 2022, 19 Uhr
Leon Hösl spricht über die Ausstellung
Markus Hanakam & Roswitha Schuller sind bei der Eröffnung anwesend

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Es gibt ein Element im Repertoire von Hanakam & Schuller, das seit Jahren wiederkehrend ist und mich trotzdem immer wieder überrascht: Derivate des täglichen Konsums, Behältnisse und Verschlüsse aus Plastik in verschiedensten Formen und Farben, die alle auf dem gleichen System beruhen. Wie die Satzbausteine eines Chat-Bots lassen sich die Einzelteile fast willkürlich miteinander verbinden. Inzwischen gibt es eine scheinbar unendliche Serie dieser rätselhaften Artefakte (SPEICHER (2022)), die ein charakteristisches Formensystem ergeben, das nie dechiffriert werden kann und so zu ihrer ganz eigenen Sprache wird. In fast jeder Arbeit von Hanakam & Schuller tauchen diese Elemente auf, werden in Filmen als eine Art Spielfigur eingesetzt, verschlingen sich zu Grotesken oder werden wie ein Heiligtum behandschuht präsentiert. In einer neuen Serie (PROFILE (2022)) tauchen die Objekte zusätzlich als Prints auf den Handschuhen auf – eine verwirrende Dopplung: der Handschuh dient zum Halten, also Zeigen des Objekts und seine Oberfläche wird zur Abbildung desselben. Die Aura um diese Plastikobjekte wird immer größer, fast könnte man von einem Kult sprechen, der sich um sie bildet. Und dieser Eindruck ist nicht zufällig, denn die Dynamik im Zusammenspiel von Sprache, Geste, Architektur, Materialität und Form bei der Erzeugung einer Ästhetik der Einzigartigkeit, ist gleichzeitig eine gerne eingesetzte Technik wie auch ein beliebtes Untersuchungsfeld von Hanakam & Schuller. Zu diesem Feld gehören die lange Geschichte der Landschaftsbetrachtung und Idealisierung der Natur genauso wie die Architektur des International Style, die Emblematik oder Textgebilde des Manierismus.

Häufig stehen Sprache und Textquellen ganz am Anfang ihres Arbeitsprozesses. So auch bei der 2-Kanal-Installation THE MOIST CABINET (2021), für dessen Entstehung wir letztes Jahr eng zusammenarbeiteten. Zwei Strophen aus William Shakespeares VENUS UND ADONIS (1593) und Bettina von Arnims Gedicht AN PAMPHILIO (19. Jhdt.) haben die Richtung für die Videoarbeit bestimmt und sind nun abwechselnd und überlappend in der jeweiligen Originalsprache als Voice-Over zu hören. Die beiden Texte verwenden Naturbeschreibungen für ihre Sprachbilder, die auf ganz unterschiedlichen Einstellungen der Autor*innen hindeuten: Bei Shakespeare dient die Natur als Katalysator sexueller Lust, bei Arnim löst die körperliche Erfahrung von Natur das Bedürfnis nach deren Bewahrung aus. Auf der einen Seite: „And calls it heavenly moisture, air of grace, / Wishing her cheeks were gardens full of flowers / So they were dew’d with such distilling showers.“ Und auf der anderen: „Dein Schweigen, Natur, nicht brechen. / Nicht auf raschelndem Blatt / Mit dem Griffel dich wecken.“ Das Textmaterial lenkte den Blick auf den Schwarzwald im Südwesten Deutschlands. Eine Region bekannt für seine gerade heute so wertvollen Qualitäten als natürlicher Wasserspeicher und daher auch eine beliebte Umgebung für Luftkuren, wurde zum Produktionsort des Films. Der Speisesaal eines Sanatoriums in St. Blasien, einem der bekanntesten Luftkurorte, zum zentralen Drehort. Ein prunkvoller, vollständig mit Marmor ausgekleideter Saal, die Wände geschmückt mit den Elementen gewidmeten Malereien von Adolf Hildenbrand. Die Natur aufgeteilt in Erde, Wasser, Luft und Feuer. Durch den Saal gleitet eine Luftkammer in Form einer riesigen Erdnuss. Sie umschließt die Luft, stellt sie in den Raum und präsentiert sie, so dass man wieder an Shakespeare erinnert wird: „air of grace“.

Während sich in THE MOIST CABINET der Einfluss von Sprache auf das Naturverständnis des Menschen offenbart, kommt es mir vor, als würde FIREPLACE (2022) dieses Verhältnis umdrehen. Das Feuer, eingehegt von einem Kamin mit antiken Reliefs, auf denen uns die bekannten Artefakte wieder begegnen, spricht zu uns auf eine Art, die Selbstbewusstsein, Zielgerichtetheit und Achtsamkeit einflößt. Motivierende Ratgebertexte und Kaminfeuer: eine fast unschlagbare Kombination. Die drei erfolgreichsten Youtube-Kaminfeuervideos kommen auf 170 Millionen Klicks. Und hinter den sprechenden Flammen stehen die Worte von Robert H. Schuller (1926-2015), Fernsehprediger, Bestsellerautor und Gründer der gigantischen Crystal Cathedral in Los Angeles. Das Flackern der Flammen, die Affirmation „If you can dream it, you can do it“ und die subversive Wirkung lässt nicht lange auf sich warten: der Puls wird langsamer, das Selbstbewusstsein größer, der Fokus schärfer. Sprache prägt den Blick und beeinflusst unser Verhältnis zur Umwelt, aber sie schafft es auch, die Eigenwahrnehmung von einem Moment auf den anderen zu verwandeln – abracadabra! (Leon Hösl)

Markus Hanakam wurde 1979 in Essen, BRD, geboren, lebt und arbeitet in Wien. Roswitha Schuller wurde 1984 in Friesach, Österreich geboren, lebt und arbeitet in Wien. Beide besuchten von 2002-2007 die Klasse für Kunst und Design und von 2006-2009 die Klasse für Bildhauerein an der Universität für Angewandte Kunst Wien, Roswitha Schuller erhielt 2012 den Ph.D. für Kunst- und Kultursoziologie. Die Künstler arbeiten seit 2004 zusammen.