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AiR Ungarn 2011 - 2012

Krinzinger Projekte
   01.11. - 23.02.2013

Vernissage: am Mittwoch, dem 31. Oktober 2012, um 19:00 Uhr

Krinzinger Projekte präsentiert die zweite Gruppenschau mit TeilnehmerInnen des Artist in Residence Programms in Petömihályfa/Ungarn. Die Vorarbeiten zu diesem Programm begannen im Herbst 2009, ab Frühjahr 2010 waren die ersten KünstlerInnen vor Ort, um sich in der Ruhe und Abgelegenheit der Studios vollends auf ihre künstlerische Arbeit zu konzentrieren. Während im ersten Jahr der Fokus allein auf KünstlerInnen aus Österreich und Ungarn lag, wurde dieser 2011 mit KünstlerInnen aus Bulgarien, Deutschland und Frankreich international erweitert. In der Ausstellung werden nun die Arbeiten jener KünstlerInnen, die in den Jahren 2011 und 2012 am AiR-Programm teilgenommen haben, zusammengeführt. Gezeigt wird ein spannender Überblick über den künstlerischen Output als Zusammenspiel von Zeichnung, Video, Fotographie, Objekte sowie Installation.

Die AiR-Studios liegen in der idyllischen Kulturlandschaft Westungarns. Weitab der städtischen Hektik und deren Ablenkungen wurde ein Raum für konzentriertes künstlerisches Arbeiten geschaffen. Die natürliche Umgebung bestimmt hier großteils den Rhythmus des Residency-Alltags und bietet die Möglichkeit zu einem reduzierten Leben. Die Studios der Galerie Krinzinger in Petömihályfa sind ein Ort der Begegnung für junge europäische KünstlerInnen. Hierbei wird großen Wert auf die kulturelle, sowie künstlerische Zusammenarbeit ungarischer und österreichischer KünstlerInnen gelegt. Die Förderung und Belebung des Austausches internationaler zeitgenössischer KünstlerInnen steht an vorderster Stelle, aber auch die Vernetzung mit einem kunstinteressierten Publikum ist ein wichtiges Anliegen. Deswegen werden regelmäßig Studiovisits organisiert, bei welchen die einzelnen Positionen vor Ort präsentiert werden.

Teilnehmde KünstlerInnen 2011:
Steffi Alte zeigt eine Reihe von Modellen eines Pavillons, die sie anlässlich des Wettbewerbs Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich / Karlstetten (Pavillon) 2011/2012 entwickelte. Alte treibt ein Spiel mit Ironie und Dilettantismus, indem sie arme Materialen wie Schaumstoff, Plexiglas und Holz verwendet und ihre Modelle somit als ideale Architekturvorlagen ad absurdum führt: “Nachdem ich dann aber gefunden habe, dass die Form allein sehr auf das Göttliche hinausläuft, das Modell des Schönen der Wahrheit (nicht dem Modell als Modell der Modellhaftigkeit oder der Form als Modell der Modellhaftigkeit), habe ich mich doch lieber dem Science-Fiction zugewendet.“ (Steffi Alte)

Im Hinblick auf eine Traumgeschichte entstanden die konzeptionellen Arbeiten von Nicola Brunnhuber. Sie stellen eine künstlerische Art der Bewältigung dar. Brunnhuber verbindet die Elemente Holz und Glas miteinander, indem er eine Holzkasten-Konstruktion als Hintergrund für mehrere aufeinander gelegte Glasplatten verwendet. Die Willkürlichkeit der übereinander gelegten Glasplatten steht im direkten Kontrast zu den detaillierten und genau ausgeführten Holzkon struktion.

István Csákány konstruiert mit seinen Arbeiten Geschichten, die die konfliktreiche Beziehung zwischen Politik und Kunst im nachsozialistischen Ungarn verbildlichen. Themen wie der Umgang mit der Zeitgeschichte und ihrem Erbe sowie der Relevanz der Bewertung von Vergangenheit liegen dem zugrunde. In der Ausstellung präsentiert er eine Nähstube aus Holz, bis ins kleinste Detail manuell geschnitzt und abgeschliffen, in der er Massenproduktion (Näherei) mit traditioneller Handwerkskunst (Schreinerei) gegenüberstellt und so gleichermaßen Themen wie soziale Utopie, Arbeiterästhetik und ökonomische Mängel in seine Arbeit einschreibt. Die in Ungarn konzipierte Nähstube liefert das Modell zu der großformatigen Installation Sewing Room, die Csákány bei der diesjährigen dOCUMENTA (13) präsentiert hat.

Steven Guermeur konzentriert sich in seinen Arbeiten auf die verschiedenen Arten der Präsentation von Kunst, etwa an einer weißen Wand, auf einem Podest oder in einem Rahmen. Gleichzeitig nehmen seine Arbeiten Bezug auf die verschiedenen Kontexte, in denen Kunst entsteht und gezeigt wird, beispielsweise in der Galerie, einer Residency oder einer Ausstellung. Guermeur benutzt simple Methoden der Kunstproduktion, die er mit kleinen Verschiebungen ins Ironische kippen lässt. Die Erwartungen des Betrachters werden gleichermaßen hinterfragt wie der Künstler Geschichten über den Kunstkontext und der Unmöglichkeit diesem zu entfliehen erzählt.

Mit BLOOM reflektieren Markus Hanakam & Roswitha Schuller über Mittel der Bildproduktion der Medien Fotografie und Film. Die Suche nach dem modernen Blick, der sich über die verschiedenen optischen Apparaturen bereits vor der Entwicklung der Fotokamera zu manifestieren beginnt, wird mit Hilfe von teils absurden Apparaten und Objekten, bis hin zu Land-Art ähnlichen Installationen, rekonstruiert. Eine Textcollage, basierend auf John Ruskins „Poetry of Architecture“, einem der wesentlichen Texte der Landschaftstheorie des 19. Jahrhunderts, bildet als Voice Over eine weitere Ebene aus. Die Szene zeigt abwechselnd Arbeitsräume, Utensilien und Landschaftsbilder und lässt eine Atmosphäre des Pittoresken entstehen, die gleichzeitig wieder dekonstruiert wird.

Die Projekte von Kamen Stoyanov gehen von der Frage des Vermögens der Kunst aus eine konkrete Perspektive zu schaffen, mit der das Verhältnis von Ego und Welt beobachtet werden kann. Der Unterschied zwischen Landschaft/Bild und Landschaft/Nutzraum wird vom Künstler analysiert, um kulturelle Dynamiken, die eine bestimmte lokale Gegend charakterisieren, aufzubrechen und mögliche Veränderungen erfahrbar zu machen. Auf zwei Fotografien ist der Künstler neben einem alten VWAuto abgebildet, auf dessen Motorhaube ein stilisierter Tiger bzw. eine Abbildung eines Joghurts appliziert wurde. Stoyanovs Frage nach dem Inhalt – Abbild oder Konzept – kann bereits als Kunstwerk betrachtet werden, ebenso wie die Frage wer als Künstler gilt: die Person, die die Idee hatte, oder die, die sie umsetzte? In seinem Video dokumentiert Stoyanov seinen Aufenthalt in Ungarn mit dem Ziel aufzuzeigen, dass ein Kunstwerk aus verschiedenen Perspektiven begriffen werden kann.

Vieler der früheren Arbeiten von Tamás T. Kaszás setzen sich mit dem Modernismus eines Russischen Konstruktivismus, eines Bauhaus oder eines De Stijl auseinander. Diese Avantgarde- Bewegungen verfolgten das Ziel die Gesellschaft mit Hilfe eines ästhetischen Wandels zu verändern. In seinem Projekt Animal Farm führt Kaszás diese Idee weiter, indem er diese sozialen Fragestellungen in den tierischen Bereich verlegt. Dass durch den Beginn des Holzhandels bereits viele Vogelarten verschwunden und aufgrund der fehlenden Bebaumung keine geeigneten Plätze mehr zum Nestbau finden, liefert die Grundlage für die Umsetzung dieser Idee in Vogelhäuser. Diese Arbeit basiert auf diesen wissenschaftlichen Aspekten, gleichzeitig spielen die Vogelhäuser mit den Formen der Moderne.

Teilnehmende KünstlerInnen 2012:
Adi Matei verweist in seiner Videoarbeit auf die Schnelligkeit und die Schwierigkeit der Reduktion von Bewegung in der heutigen Zeit. In einer einzigen Einstellung dargestellt, bewegt sich ein fliegender Vogel trotz seines Fluges nicht von der Stelle. Eingefangen in einem Raum, der durch seine getäfelten Wände an historische Inneneinrichtungen erinnert, wirkt er wie ein Studienobjekt in einem Kuriositätenkabinett. Durch die Fenster des Raumes sieht der Betrachter die Wolken vorbeiziehen. Die entschleunigte Bildbewegung im Inneren und die außen zügig vorbeiziehenden Wolken vergrößern die Diskrepanz zwischen den beiden Realitäten, die sich eigentlich in derselben perspektivischen Einstellung befinden. Matei thematisiert damit einen Zustand möglicher Bewegung, der seiner Videoarbeit einen beruhigenden und rhythmischen Unterton verleiht.

Bernd Oppl setzt sich in seinen Arbeiten mit Fragen der Wahrnehmung auseinander, mit physischen und medialen Räumen und den Wahrnehmungsordnungen, die diese Räume produzieren. Ein Architekturmodell dient als Kulisse seiner Videoarbeit Sick Building, die den Betrachter in einem Schwenk durch den Innenraum führt. Indem Oppl eine zähflüssige, bio-organische Substanz über das rotierende Modell fließen lässt, wird der Eindruck erweckt, als würde diese Substanz langsam vom Boden zur Decke wachsen, obwohl sie durch die Rotation des Modells nur augenscheinlich der Schwerkraft entgegenwirkt. Durch die Übertragung eines Mediums in ein anderes und einer daraus resultierenden Verzerrung und Abstraktion, entsteht ein Moment der Irritation, das neue assoziative Zusammenhänge zulässt. Die gezeigte Fotoserie untitled ist ein subjektives Architekturporträt des Wohnhauses und des Studios in Ungarn und versucht verschiedene Perspektiven in einem Bild zu verdichten. Im Verfahren der analogen Mehrfachbelichtung sind Details des Hauses aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen und zu einem Bild in der Kamera kollagiert.

Wendelin Pressl zerlegt in seinen Arbeiten die Realität in einzelne Partikel, um diese dann auf individuelle Weise wieder zusammenzufügen, assoziationsreich zu kombinieren und dadurch Umdeutungen beziehungsweise neue Bedeutungen zu generieren. Seine ,,Naturstudie“ umfasst die Themen der Zergliederung, Rekomposition, Transformation und Neudefinition. In seinen Papierarbeiten befasst er sich mit dem nächtlichen Himmel über Petömihalyfa, dem einzigen Orientierungspunkt in der Fremde, indem er ihn versuchsweise kartografiert. Zerbeulte Getränkedosen zeugen trotz der Abgelegenheit des Studios von Zivilisation. Als space junk betrachtet gehen sie eine symbiotische Beziehung mit Pressls kartografiertem Universum ein.

Die kleinformatigen Polaroid-Arbeiten von Anja Ronacher befassen sich mit der Köperlichkeit und der Oberfläche von Zuständen. Das bewegte Beiwerk, etwa das Blattwerk des Waldes rund um das Studio, wirkt nach Aby Warburg als Ausdrucksmittel einer „inneren Unruhe“. Der flüchtige Augenblick ist einmalig, er wirkt in der Fotografie jedoch als dessen geisterhaftes Nachleben, als dessen Wiederholung. Das Unzeitgemäße erweist sich als wichtig, da hier das Potential dafür liegt, Ausdrucksmittel für das Nachleben der Formensprache in der Geschichte zu sein. Durch das Fotografieren wird das Bild versteinert, fossiliert. Indem Wind im bewegten Blattwerk festgehalten ist, verleibt sich die Zeit in das fotografische Bild ein.

In den Zeichnungen von Stela Vasileva werden Menschen, Gruppen und Szenen gezeigt, die sie in Wien und Ungarn beobachtet hat: Szenarien des Urbanen treffen auf die Umgebung des Ländlichen. Vasileva verarbeitet in ihren Zeichnungen ihre subjektiven Eindrücke und Stimmungen dieser beiden Lebensräume. Die dargestellten Menschen sind aus ihren gewohnten gelöst und auf rein weißem Hintergrund dargestellt, wodurch eine Art Identitätslosigkeit dieser Gruppen entsteht.

Die Objektarbeit des Künstlerduos Little Warsaw bezieht sich trotz ihrer Abstraktheit auf die klassische Bildhauerei, indem sie sich experimentell mit dem Objektcharakter verschiedener Gegenstände beschäftigen. Der präsentierte Gips-Abdruck eines Motorrad-Helms wird zu einem Zeichen für Leere und Inhaltslosigkeit, als wäre der Helm nur auf Grund der fehlenden Anwesenheit des Menschlichen existent. So werden Abdrücke wie auch Grenzen der individuellen Körperschaft
geformt, ohne jedoch auf die eigentliche Spur einer Person zurückzuführen.