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Christian Eisenberger

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  GALERIE KONZETT
 10.12. - 29.01.2011

 

Vernissage: am Dienstag, dem 09. Dezember 2010, um 19:00 Uhr
Zur Ausstellung spricht Martin Titz
Der Künstler ist anwesend



Über Christian Eisenberger und seine Kunst

Christian Eisenberger ist wortkarg und ideenreich. Er ist einer, der bis über die Ellbogen ins Leben greift. Der Fundus, aus dem er schöpft, ist unendlich, denn dieser Fundus ist nichts weniger als die Welt in allen ihren Teilen. Eisenberger betreibt seine Kunst nämlich ernsthaft (im Unterschied zu „ironisch“) als Weltaneignung, indem er verwertet und verwandelt, was ein Ort hergibt und was andere keines Blicks mehr würdigen. Es ist eine Welt der einfachen Dinge jenseits ihres Gebrauchs- und Tauschwerts, ein chaotisches Universum aus Kartonagen, Pornoheften, Geweihstangen, gelaufenen Postkarten, abgespielten Schallplatten, Tannenzapfen, liegen gebliebenen Strapsen, Ultraschallaufnahmen von Föten, Bildern von seinem Großvater und von Marilyn Monroe, Klebeband en masse, Haarabfall vom Friseur, Wortspenden von Passanten und jede Menge Farbe, schlichtweg alles, was es gibt, dient ihm als Material. Tja, wofür? Für neue Weltteile, die zum Betriebssystem Kunst gehören. Skurriles Zeug wie Betondackel auf Rehbeinen, Christen-Kreuze und David- ebenso wie Kommunistensterne aus Wasserwaagen, „Guten Morgen“-Grüßen aus Kuhmist, Klebeband-Kokons, denen er entschlüpft, sie wie eine alte Haut abstreift, passend zu seiner täglichen Metamorphose als Künstler.

Vergänglichkeit, Fragilität, das Ephemere, Sich-Verändernde fällt als wesentliche Qualität vieler Arbeiten auf: bei den Pappfiguren, um die Sammler mit dem „Karottenballett“ der städtischen Müllabfuhr um die Wette rannten, den Mensch-Kokons aus Klebeband, die langsam in sich zusammenfallen, den mehr oder weniger verbrannten Rauchzeichnungen, den absolut unbrauchbaren Galgen aus Rasierschaum und Neonröhren oder den Zombie-Bildern aus Silikon und Lacken, die er wochenlang der Witterung und der Fauna seines Ateliergartens aussetzte. Der Künstler spricht von der seit 2008 entstehenden Bilderserie der Gespensterköpfe als „Zombies“, lebenden Leichnamen, deren Gesichtszüge durch den Alterungsprozess des Bildes langsam zerfließen. „Lemuren“ nennt Franz West seine Geisterköpfe mit weit aufgerissenen Mündern und meint, davon gäbe es in der Stadt jede Menge. Und mindestens ebenso viele Dorian Grays.

Wo Eisenberger auch hinkommt, das Material für seine Arbeiten ist schon dort. Er entnimmt es stets seiner Umgebung. Ob in der Natur oder am Bauernhof, in der Innenstadt oder im Museum, alles, was gerade zur Hand ist, wird verwendet, verwandelt, verwertet. Deshalb greifen alle Etiketten wie „Land Art“ oder „Street Art“ zu kurz, denn Eisenbergers unentwegter Kunst-Kraftakt, selbst die tägliche Arbeit im Atelier trägt den Charakter einer Dauer-Performance, wodurch der Arbeitsprozess wichtiger wird als das Ergebnis. Der Künstler arbeitet oft in Serien, experimentiert dabei mit Ideen und Materialien bis er ihrer überdrüssig wird und die Arbeiten zunehmend lässiger und ungestalteter werden. In seinen Ausstellungen greift er gerne auf frühere Gestaltungen zurück, variiert und kombiniert diese mit Neuem und geht dabei bis an die Grenze der Belastbarkeit für Material und Mensch. 2008 baute er aus Klebeband und filigranen Holzlatten einen Aussichtsturm in die Wiener Kunstmesse und lud die Besucher ein, ihm unter vollem Körpereinsatz bis in schwindelerregende Höhen zu folgen.

Was ist es, das Eisenbergers Vergänglichkeitsdarstellungen von den historischen Vanitas-Bildern unterscheidet? Zum einen wurde die Vergänglichkeit traditionell im Spiegel bestehender, aber hinfälliger Schönheit gesehen. Diesen Aspekt kennt Eisenbergers Werk nicht. Eine zweite Facette, nämlich die beabsichtigte Läuterung des menschlichen Mutwillens durch die Hinwendung zum Glauben und die religiöse Unterweisung unterbleibt ebenso. Das Paradoxe an den historischen Vanitas-Darstellungen ist die Präsenz der Absenz, das Vorhandensein des Vergangenen, das auch das Bild als Gegenstand nicht ausnimmt. Wie viele Generationen haben die apokalyptischen Reiter, die Narrenschiffe, die Pestsäulen und die Totenkopf-Stillleben schon als Todesmahnung überlebt? Die Kunst, die das Vergängliche dauerhaft festhält, bleibt ein „Als ob“, bleibt ein Trompe-l`œil der Vergänglichkeit. Eisenberger bleibt dabei nicht stehen. Seine Vergänglichkeitsdarstellungen sind selbst vergänglich. Wer weiß, wie lange die Materialien, mit denen er arbeitet, erhalten bleiben? Vieles ist, wie wir gesehen haben, überhaupt nur für den Moment gemacht. Anderes hat eine etwas längere Halbwertszeit, aber der absehbare Verfall liegt in der Natur seiner Kunst. Also womöglich doch eine ironische Volte des Künstlers gegenüber jenen, die durch den Besitz seiner Werke Ewigkeit erlangen wollen? Nein, denn Eisenbergers Kunst besteht eben darin, den Verfall ernst zu nehmen, nichts zu restaurieren, nichts nachträglich zu schönen, sondern die titanische Gelassenheit zu erlangen, die im „Es ist, wie es ist“ mitschwingt.

Text: Martin Titz, Graz 2010.