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Code | 2D_3D

Alexandra Deutsch | Larissa Leverenz | Martina Tscherni | Reinhard Wöllmer

 Galerie Ulrike Hrobsky
 23.04. - 13.07.2020


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Die Ausstellung „Code 2D_3D“ präsentiert vier Künstler*innen, die sich in ihrer Kunst der Eroberung des Raums verschrieben haben, sei es in Form flächiger Zeichnung und Druckgrafik oder als real raumgreifendes Objekt.

Die Arbeiten von Alexandra Deutsch, Larissa Leverenz, Martina Tscherni und Reinhard Wöllmer behandeln eine reale und eine fiktive Raumwahrnehmung, sie laden uns ein, sich hineinzudenken und hinein zu fühlen in konstruierte Welten. Die Bezüge sind dabei ganz unterschiedlich – die Künstler*innen finden Inspiration in der Architektur und der Natur, in der starken Verkleinerung und sogar unter dem Mikroskop.

Allen präsentierten Arbeiten gemein ist ihre Subsumierbarkeit unter den Begriff des „Tactile Value“, den der amerikanische Kunsthistoriker und Sammler Bernard Berenson im ausklingenden 19. Jahrhundert für die Malerei der Florentiner Renaissance entwickelte und der sich mit der durch Malerei erzeugbaren Wirklichkeitswahrnehmung oder -illusion auseinandersetzte. Der Ausdruck umschreibt die Qualität eines Kunstwerkes, im Betrachter und in der Betrachterin eine haptische, eine reale Wahrnehmung der Arbeit zu erzeugen, ohne jedoch eine faktische Berührung vorauszusetzen.

Es geht also um eine Kunst, die lebensnah und raumgreifend ist, eine Kunst, in die man sich hineindenken und ja, vor allem auch hineinfühlen kann.
{ J. Schuster }

Das Denken ist einem zweidimensionalen Raum zugeordnet, der Körper einem dreidimensionalen. Ich glaube, ich führe einen Dialog zwischen beiden“ { Anish Kapoor }

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Alexandra Deutsch, oT-5, 2020, geschöpftes Papier, Pigmente, Beize, 27x18x11 cm

Alexandra Deutsch
Geboren 1968, in Karlsruhe
1988 1995 Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität
1992 Gaststudium an der École des Beaux Arts, Dijon, Frankreich.
2006 Lehrauftrag an der Akademie für Bildende Künste, Mainz.
Sie lebt und arbeitet in Wiesbaden.

Alexandra Deutsch erfindet ihren eigenen, poetischen Kosmos analog zur Natur. Ihre Objekte erinnern an Vertrautes, an Pflanzen, Blüten, Meerestiere, an Landschaft und Planeten und erscheinen doch fremdartig und geheimnisvoll, verwandelt durch eine organisch-abstrakte Formensprache. Diese entwickelt sich in enger Verbindung mit dem Material, zunächst dem geschöpften und mit Pigmenten eingefärbten Papier, später dem Stoffmaterial, das seit dem Erlebnis der Brasilienreise eine wichtige Rolle für sie spielt. „Die Papierobjekte faszinieren durch ihr vielfältiges Repertoire an plastischen Formen und Oberflächenstrukturen aus Linien, Gittern, Waben, Lamellen. Doch erst das kontrastreiche Spiel der Farben bringt die Strukturen und ihre Dynamik zur Geltung und steigert die räumliche Wahrnehmung. Die sinnliche, emotionale Kraft der Farbe erweckt die Objekte zum Leben, macht sie zu wesenhaften Zeichen für Wachstum und Wandel, Energie und Schönheit, als grundsätzlichen Themen.+#+Raum und Bewegung sind wichtige Aspekte und rücken in der jüngsten Werkserie der Papierobjekte wieder stärker in den Blickpunkt, erhalten besondere Akzente durch trichterförmige Elemente, die gleich Fühlern aus der Oberfläche herauswachsen und sich im Raum orientieren. Mit ihren unregelmäßigen Formen wirken sie nicht statisch und in sich ruhend, sondern veränderbar.“
{ Ulrike Hauser-Suida }

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Larissa Leverenz, Hybrid Beings, 2020, Acryl, Tusche, Farbstifte, 40x50 cm

Larissa Leverenz
Geboren 1978 in Köln;
2000 – 2005 Studium an der FH-Münster für Design; Abschluss mit Diplom;
2005 - 2010 Studium an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, Abteilung Bildende & Mediale Kunst
2010/11 - Diplom mit Auszeichnung
2011 bis dato; Senior Artist an der Universität für Angewandte Kunst Wien, Abteilung Grafik & Druckgrafik, Prof. Jan Svenungsson
2018 Recognition prize –STRABAG Artaward international
Lebt und arbeitet in Wien.

Larissa Leverenz entführt die Betrachter in eine Welt von surrealer, fremder Schönheit. Die Symbolträchtigkeit die ihren „Stillleben“ eigen ist wird in ihren Arbeiten ad absurdum geführt. Der Mensch und die Frage nach seiner Identität spielen dabei eine zentrale Rolle in ihren Arbeiten. In streng konstruierten, mit unterschiedlichen Betrachtungswinkeln ausgestatteten Bildkompositionen bildet der menschliche, oder stellvertretend animalische Körper zumeist einen Gegenpol die diesen Raum versuchen in Besitz zu nehmen und dessen Grenzen, die räumliche Bedingtheit von Existenz zu definieren. „Mich interessiert, inwieweit Symbole sich über den gegebenen Kontext definieren bzw. wann eine neue Bedeutungsebene oder Assoziationskette einsetzt“.

Besonders faszinierend ist die dabei die von ihr verwendete Technik: „Die Künstlerin malt und zeichnet, sie druckt und collagiert auf dünnen Holzplatten, die mit ihrer natürlichen Maserung und Struktur den Bildhintergrund ausmachen. Manchmal schnitzt sie in die Platten oder erweitert diese zu installativen Arbeiten im Raum – eine für uns außergewöhnliche, in dieser Form noch L. Leverenz: Matjoschka, 2020, MM auf Holz, 40x50 cm nie gesehene Bildsprache und ein geschikktes Verweben ganz unterschiedlicher künstlerischer Techniken.

Wie die Künstlerin ihr Figurenpersonal in die kaum verortbaren, multiperspektivischen Bildräume stellt, erinnert in ihrer Dramaturgie an eine Bühneninszenierung. Sie ist defacto Spielleiterin und Regisseurin, doch es sind keine Geschichten, die sie zur Aufführung bringt, sondern Szenenbilder und Fragmente. Es begegnen uns fliegende Menschen, die wagemutige akrobatische Stücke aufführen und dabei schon einmal den Kopf verlieren, unheimliche Wesen und seltsame Objekte, rätselhafte Mauerkonstruktionen und sonderbare Apparaturen."
{Günther Oberhollenzer}

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Martina Tscherni, Blau, 2019, Graphit, Buntstift, Papier, 80x110 cm

Martina Tscherni
1963 geboren in Hall in Tirol
1977-1981 Fachschule für angewandte Malerei und Kunst, Innsbruck (Ibk.)
1982 Fachschule für Bildhauerei und Metallgestaltung als Gastschülerin, Ibk.
1983 Meisterklasse für Tapisserie, Prof. M. Rader-Soulek, und Meisterklasse für Graphik, Prof. Ernst Caramelle, Hochschule f. angwdt. Kunst, Wien;
1988 Diplom
2000 Bauholding Kunstförderungspreis,
2013 Tiroler Graphikwettberwerb.
Sie lebt und arbeitet in Tirol und Wien

Martina Tscherni hat sich der zeichnerischen Darstellung von natürlichen Organismen und biologischen Mikrostrukturen verschrieben. Wie sie selbst sagt: „ich zeichne leidenschaftlich gerne und meine bis zu 20 Meter langen Rollen mit fortlaufenden Zeichnungen sind eine Art Skizzenbuch für mich“. Dabei erfindet sie in dem Sinne nichts, sondern überträgt, übersetzt, visualisiert. Es geht ihr um eine Kunst, die nicht ablässt von der Natur, auf die Suche nach sich selbst. Sie sucht und hinterlässt Spuren von subtilen, kapillaren Dingen und formen, die vom Erhalt wie vom Verlust, möglicherweise sogar von deren Entschwinden erzählen – fragil, präzise und zärtlich als eine geistige Haltung zur Welt. Gegen die Überreiztheit der Zeit. So könnte auf eine knappe Formel gebracht werden, was den Betracher*innen entgegentritt: Biotexturen, die an den langen Anfang des Lebendigen erinnern und zu-gleich das Souterrain des Menschlichen befragen.

Unaufgeregt, leise entsteht – durch Verdoppeln, Verschieben, Überlagern – ein M. Tscherni: ohne Titel-2, 2020, Graphit Buntstift auf Papierrolle, 200x80 cm eigenständiges Universum kleiner und kleinster Zeichen, die zwischen Materie und Sprache vermitteln und dabei Räume im Dazwischen kultivieren.

Geht es nach Gustave Flaubert und Aby Warburg, steckt nicht der Teufel, sondern der liebe Gott im Detail. Denn die Einzelheiten sind es, die Ausgänge der Wahrnehmung als Fundament unseres Fühlens, Denkens und Handelns markieren, und sie sind es wiederum auch, die reichlich Indizien für jede Art von Spurensuche liefern.

Die Begegnung mit beidem findet in den vorliegenden Arbeiten statt: Unbeirrt wird auf das Detail gesetzt, aus dem heraus sich ein größeres Ganzes fügt, welches Ausgänge für ein Wahrnehmen ohne jede Hektik eröffnet.

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Reinhard Wöllmer, Farbraumrelief-3, 2020, Papierschnitt, 44°5x44°5x9 cm

Reinhard Wöllmer
1957 geboren in Nürnberg
1977-84 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg bei Prof. Clemens Fischer; Meisterschüler und Klassenpreise
1999 Gründung der Gruppe PURPUR
2002-dato, Dozent an der Werkbund Werkstatt Nürnberg
Er lebt und arbeitet in Nürnberg.

Reinhard Wöllmer begann nach dem Kunststudium an der dortigen Akademie in den 80er Jahren zunächst als Maler und Zeichner. Seine Werke waren geprägt von den gesellschaftlichen Ereignissen jener Zeit und stellten existentialistische Fragen an das Menschenbild. 1991 erfolgte während eines Auslandsstipendiums der Stadt Nürnberg im mazedonischen Skopje eine Neuorientierung mit dem Material Papier, die von den dortigen reduzierten Voraussetzungen initiiert war. Die Faszination Papier hat ihn nicht mehr losgelassen. Mehr noch, Wöllmer kreiert aus diesem variationsreichen Stoff seither völlig neue und ungewohnte künstlerische Objekte. Seine Vorliebe für das Experiment eröffnet dem Künstler ein weites Spektrum in der Bearbeitung des papiernen Stoffes, den er unterschiedlich einfärbt, auswalzt, prägt und in getrockneter Form anschließend mit dem Hammer bearbeiten kann. Seine formale Reduktion auf geometrische Körper wie Kreis und Oval möchte der Künstler als Ausdruck von Vereinfachung und Konzentration auf Wesentliches verstanden wissen. Aus flachen, ausgerollten Papierplatten entstehen so plastische Körper, die zum Teil mit linearen Vertiefungen versehen werden. Bei ihrer farbigen Fassung bringt die saugende, organische Papieroberfläche ganz unterschiedliche Ergebnisse hervor. So belebt sich das Material in hell bis dunkel variieren-den Flächen konkav-konvex, so dass – auch durch die jeweilige Binnen-gestaltung – die Oberflächen in Beweg geraten.

R. Wöllmer: Corte, Karton geschnitten, 2014, 40 x 30 x 0,5 cm „Reinhard Wöllmer gelingt es, mit einfachen Mitteln komplexe Fragen an den Status des Bild – Objektes zu stellen. Seine auf geometrische Grundformen reduzierten Papierobjekte und Schnittwerke reflektieren wahrnehmungstheoretische Bedingungen und beziehen aktiv den Betrachter mit ein. Bei den jüngsten Arbeiten, den Farbraumreliefs, wird der Dialog von Farbe und Licht anders geführt. Hier setzt er Büttenpapiere ein, die hinter einander geschichtet sind und so Einblicke in das Dahinter ermöglichen. Das Spiel mit aufgebrachten Farbflächen auf den rückseitigen Papierschichten reflektiert den Innenraum des Bildkörpers farbig ein. Farbiges Licht wird räumlich spürbar, als wenn man es greifen könnte. Licht wird fast haptisch. Je nach Menge und Richtung des Lichteinfalles entsteht ein subtiles Spiel, ein spannendes Erlebnis räumlicher Schichtungen, es entsteht ein Farbraumrelief. Raum wird in Wöllmers Werken nicht als gemalter illusionistischer Raum dargestellt, sondern als tatsächlicher Raum unmittelbar erfahrbar.“
{Antje Buchwald}