„Die neue Schönheit kann nur die einer
Situation sein.“ (Guy Debord)
Gleichsam eine Liebeserklärung an den
urbanen Raum präsentiert Lotte Seyerl ihre
jüngeren Arbeiten in der Galerie Ulrike
Hrobsky. Seyerl, die sich in den meisten
Städten sehr schnell heimisch fühlt,
beleuchtet in ihren Bildern die
vielschichtigen Gefühlsspiegelungen, Wahrnehmungsebenen
und Zufälligkeiten von
zeitlichen Parallelen, fokussiert diese auf ihre
lapidaren und doch so prägnanten Spuren.
Während Architektur in ihrer üblichen
Präsentationsform auf Schärfe basiert, legt
sie Wert auf dezidierte Unschärfe, die die
Technik der Malerei ihr ermöglicht.
Die Situationen, die sie dabei einfängt, sind
dem Spekulativen völlig abgeneigt, vielmehr
vermitteln sie eben die Unmittelbarkeit, die
entsteht, wenn ein scharfer Blick in "Echtzeit" einen Moment aus dem Realitätsfluss
reißt, vergleichbar mitunter der
Fotografie und insofern auch den Faktor der
Vergänglichkeit bereits in sich tragend.
Die Anonymität von Städten, die
Unverbindlichkeit diverser Verortungen, die
aber doch immer wieder auch zu absoluter
Verbindlichkeit, zu größter Intimität und zu
persönlichen Knotenpunkten führen, ist es,
was Seyerl fasziniert und was in ihren Bildern
zu tragen kommt. Meist geht sie dabei von
Fotografien, oft zufälligen Schnappschüssen
aus.Was dabei augenfällig ist, ist der absolut neutrale, unbeteiligte, jegliche Motive gleich – weil eben nicht – wertende Blick auf die
jeweiligen Sujets. Wichtig ist Seyerl dabei,
die im Kopf des Betrachters so evozierten
Geschichten nicht zu steuern; diese sollen,
genau wie in der reellen Situation zufälliger
Beobachtungen und Eindrücke, dem jeweiligen
Rezipienten überlassen werden,
warum sie auch auf ein Spiel mit Irritationen
verzichtet. So können etwa Bilder wie „Unter
Linden“ oder „Mädchen auf Bank liegend“ ebenso als Filmstills gedeutet werden wie als
Hommage an bestimmte Menschen und
Situationen oder die etwas unscharfe
Erinnerung an einen Traum. Städte, die auch
selbst als Gefühlsträger fungieren können,
werden so zu sich allseits öffnenden neuralgischen
Knotenpunkten, die auch menschenleer
funktionieren, die mitunter ihren
Charakter in genau diesem Moment aus der
jeweiligen Lichtsituation, der ja immer ein
inszenatorischer Moment innewohnt, schöpfen. Die Besetzung von Orten mit verschiedenen
Gefühlsebenen ist ein Phänomen,
das Seyerl auch als Reisende immer
faszinierte; die Verschränkung von
städteplanerischem Geschick mit der persönlichen
Geschichte der jeweiligen Passanten
ergeben letztlich immer ein Ganzes, das
wiederumso flüchtig ist wie die Augenblicke,
die sie auf Leinwand bannt. Auch der Theorie
wird in der Ausstellung Raum geboten: so
haben ein Soziologe und ein Stadtplaner
Textzitate zusammengestellt, die mit den
Bildern eine Einheit ergeben.
Seit einem Aufenthalt an der Ostsee hat sie
gelernt, das nördliche Licht zu lieben– mittlerweile trägt sie die Ölfarben beinahe
lasierend auf den Kreidegrund auf und
arbeitet so mit Leuchteffekten, die erst durch
Reduktion entstehen. In dem großformatigen
Bild „Lärm“ etwa ist eine Eisenbahnbrücke
zu sehen, auf der mit Werbeplakaten
hermetisch überklebte Gerüste den Blick auf
Häuserzeilen und dahinter liegende Straßen
teilweise verstellen; trotz ihrer Dichte bleibt
die Szenerie sehr leicht und schwebend,
beinahe luzide – der weite, offene Himmel
verstärkt diesen Effekt noch. Die etwas
unscharfen Silhouetten von Menschen wie
Verkehrsschildern gemahnen an das flirrende,
vibrierende Licht eines heißen Sommertags.
Was an den neueren Arbeiten Seyerls ebenfalls
auffällig ist, ist die zurückgenommene
Farbigkeit. Verglichen etwa mit den Bildern
aus der Serie „13 A“, in der sie auf kleinformatigen
Leinwänden Eindrücke entlang
der gleichnamigen Buslinie einfing, in denen
der Kolorit als Stilmittel noch einheitlich
eingesetzt wurde, erscheinen diese neuen
Bilder reduzierter; gleichzeitig werden sie
stärker von Hell- Dunkelkontrasten bzw.
Schwarz/Weiß-Effekten, in die farbliche
Akzente gesetzt werden, dominiert. Seyerls
spezifischer Blick auf ihre Umgebung und die
Umsetzung in die jeweiligen Bildwelten ist
sicherlich auch durch ihren Umgang mit den
verschiedenen Medien bedingt. So
beschäftigte sie sich neben der Fotografie
auch mit den Möglichkeiten der Computeranimation
und den Verschränkungen undÜberschneidungen der diversen Techniken.
Eine weitere Gelegenheit, Seyerls lustvollen
Umgang mit architektonischen Eigenwilligkeiten
zu genießen, bietet sich diesen
Sommer dem Salzburg-Besucher: in der
Garagengalerie der Stadt Salzburg wird sie im
Rahmen der Ausstellung „Urbanes Layout“den ironischen Zyklus „gestohlene
Kirchtürme”, eine spezifisch für Salzburg
entstandene Serie, präsentieren.
Lotte Seyerl studierte an der Akademie der
bildenden Künste in Wien bei Prof. Eckert.
Sie ist Mitglied der Wiener Secession und
unterrichtet an der Universität für angewandte
Kunst. |
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