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Big Formats

 

 GALERIE GUGGING
 12.09. - 08.11.2019


Vernissage: Mittwoch, den 11. September 2019 um 19 Uhr
*** GRATIS SHUTTLE-SERVICE ***
am 11. September ab Albertinaplatz um 18.00 Uhr und retour um 21.00 Uhr!
Um Anmeldung wird gebeten bis 13. Mai unter office@galeriegugging.com




„Aus kleinem Anfang entspringen alle Dinge.“  Marcus Tullius Cicero 

Mit Testzeichnungen auf postkartengroßen Formaten, die zunächst in den 1950er Jahren für diagnostische Zwecke von Psychiater Leo Navratil verwendet wurden, hat in der damaligen Landesnervenanstalt Maria Gugging alles begonnen. Mittlerweile sind die Künstler aus Gugging nicht nur Oskar-Kokoschka-Preisträger, sondern ihre Werke werden als Klassiker der Art Brut weltweit ausgestellt und gesammelt. Bis Ende der 1970er Jahre wurde auf kleinen Formaten gezeichnet, aber bereits Anfang der 1980er Jahre ließ Leo Navratil Holzfaserplatten mit weißem Papier tapezieren. Auf einer solchen Platte entstand unter anderem das Werk „Menschen“ von Oswald Tschirtner, welches heute im museum gugging ausgestellt ist. 1983 kam Johann Feilacher als Navratils Nachfolger in das damalige „Zentrum für Kunst- und Psychotherapie“ und es wurde noch im selben Jahr mit der Bemalung der Südfassade des Hauses begonnen. Feilacher erkannte, dass viele der Künstler ihre Themen mit Leichtigkeit auch auf großen Flächen darstellen konnten, und so bot er ihnen ab dem Jahr 1986 Leinwände an. Während August Walla und Oswald Tschirtner diese Möglichkeiten gerne und sofort nutzten, hat es bei anderen Künstlern wie Johann Korec etwas länger gedauert bis sie es sich zutrauten, eine Leinwand zu verwenden.

„Ein Großformat ist nicht nur ein großes Kleinformat, es hat ein Eigenleben in der Größe.“ Johann Feilacher

Der Ausstellung „postcards – the small format“  folgt nun „BIG FORMATS“ als logische Konsequenz einer Entwicklung über viele Jahrzehnte. Es werden acht Werke gezeigt, die ihrem Namen sowohl durch ihre Größe als auch durch ihre Qualität alle Ehre machen. Wir zeigen sowohl Papierarbeiten als auch Leinwandwerke der Künstler aus Gugging und ihrer internationalen Kollegen. Wir freuen uns sehr, dass wir absolute Raritäten wie eines der ersten großen Werke von Johann Fischer unter dem Titel „Ein vollwärtiger Mann“ sowie eine „Ideensammlung“ von Oswald Tschirtner zu der von ihm gestalteten Kapelle in unserem Haus präsentieren dürfen. August Wallas Leinwand „LAND AM, PLANET MERKURIUS.?“ erzählt in eigen-williger Farbkomposition von fernen Sternen und Ländern und François Burland hat mit „Tyrannosaurus Rex“ die Tierwelt und Mythologie, die ihn schon von Kindesbeinen an fasziniert hat, zu Papier gebracht. Eine Sensation sowohl die Größe als auch das Sichtbarwerden des malerischen Talentes von Johann Korec und Arnold Schmidt betreffend, sind ihre jeweils größten Werke auf Leinwand. Eigens für diese Ausstellung entstanden, sind die Arbeiten von Alfred Neumayr und dem italienischen Künstler Simone Pellegrini, dessen Werke wir zum ersten Mal in der galerie gugging ausstellen dürfen.

Die acht gezeigten Werke sind faszinierend und das nicht nur auf Grund ihrer Größe, sondern vor allem auch in Bezug auf ihre Qualität und Rarität!

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Johann Fischer, Ein vollwärtiger Mann, 1982, Kat.Nr. 82-071, Kohle, 183 × 56 cm,
© Privatstiftung – Künstler aus Gugging

„Ein vollwärtiger Mann“
Das war er wirklich, der Fischer Johann, den Leo Navratil einlud, in dem von ihm 1981 gegründeten „Zentrum für Kunst- und Psychotherapie“ in Gugging zu wohnen, da noch ein Platz frei war. Inspiriert durch die Künstler um ihn herum begann Johann Fischer auch zu zeichnen und brachte zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn stets einzelne Figuren zu Papier, die er in einem Satz beschrieb. So auch bei dieser, für Fischer überdimensionalen Zeichnung. Leo Navratil bot ihm einst eine Rolle Tapete an, da große Zeichenpapiere zu teuer waren. 1982 entstand sein größtes/längstes Werk auf Makulatur-Papier, das in meinen Augen ein Selbstporträt darstellt. Man erkennt darauf einen Mann, der – ähnlich wie Johann Fischer es selbst immer war – sehr schick gekleidet ist. Er trägt Stiefel und Hut, hat einen Gehstock und einen Kinnbart. „Ein vollwärtiger Mann“ genießt seine Zigarette … ganz so, wie es Johann Fischer selbst auch gerne tat.

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August Walla, LAND AM, PLANET MERKURIUS.?, 1991, Kat.Nr. 91-047, Acryl auf Leinwand,
200 × 160 cm, Courtesy galerie gugging

„LAND AM, PLANET MERKURIUS.?“
August Walla war ein Meister des großen Formates. Sein ehemaliges Zimmer im Haus der Künstler, die „kleine Sixtina“ von Gugging, sowie die bereits im Jahr 1984 geschaffene Keramikwand „Paradies“ zeugen davon, dass er seine private Mythologie und Philosophie gekonnt vom kleinen ins große Format übersetzte. Er liebte es, Leinwände zu bemalen und seine Geschichten darauf zu erzählen. „LAND AM, PLANET MERKURIUS.?“ stellt Häuser, Wege, Bäume und einen Bus in für Walla ungewöhnlichen Farben dar und zeigt eine Möglichkeit auf, wie es auf diesem Planeten aussehen könnte. Vor allem seine Sehnsucht nach fernen Ländern, nach einem anderen Leben, kommt hier besonders gut zum Ausdruck, wobei er sich nicht sicher war, ob es dieses Land überhaupt gibt, was er durch das Fragezeichen unterstrich. Wie die meisten seiner Werke wurde die Rückseite dieser Leinwand mit Schrift gestaltet; in diesem Fall: eine Aufzählung von Planeten und Sternen.

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François Burland, T-Rex, 2000, Kat.Nr. 2000-007, Graphit und Neocolor auf Packpapier, 100 × 225 cm, Courtesy François Burland

„Tyrannosaurus Rex“
Dieses Werk vereint die Farben und Schatten der Wüste, die François Burland so liebt, mit den Legenden und Mythen vergangener Zeiten. Mit dieser expressiven Tierdarstellung kehrt er zu den Fabeln, die ihn in der Kindheit begleitet und damals schon fasziniert haben, zurück. Inspiriert durch die von Sagen und Magie erfüllten Sommermonate, die er als Kind bei seinen Großeltern in Frankreich verbracht hatte, bringt er malerisch einen Dinosaurier und eine kleinere Echse auf Papier. Er selbst erlebt den Schaffensprozess als würde jemand am Werk sein und ist überzeugt davon, dass alles, was einmal war, kollektiv in uns vorhanden ist und dass daraus wiederum Neues entstehen kann.

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Oswald Tschirtner, =Himel, 2001, Kat.Nr. 2001-028, Edding auf Leinwand, 160 × 200 cm
© Privatstiftung – Künstler aus Gugging

„=Himel“
Oswald Tschirnter wollte Priester werden, aber durch den Krieg und seine Schrecken hat sein Leben eine völlig andere Laufbahn genommen. Er ist der Minimalist unter den Künstler aus Gugging und bekannt für seine „Kopffüßler“ und die abstrakte Darstellung von Themen, welche er bis 1980 vornehmlich auf kleine Formate brachte. Eindrücklich zeigt vor allem die Südfassade des Hauses der Künstler, auf welche er 1983 zwei haushohe „Kopffüßler“ zeichnete, dass er mühelos in der Lage war, vom kleinen auf ein großes Format zu wechseln. Im ehemaligen Kinderhaus, in dem sich jetzt die galerie gugging, das museum gugging und auch das offene atelier gugging befinden, gibt es eine Kapelle. Oswald Tschirtner, dessen künstlerisches Schaffen häufig von seinem Glauben inspiriert war, wurde gebeten, diese zu gestalten, was er 2001 auch tat. „= Himel“ ist eine Ideensammlung, eine Skizze für die Gestaltung der Kapelle, und als solche eine absolute Rarität. Zu sehen sind Menschen in der Kapelle sowie am Kreuz und es stellt sich die Frage, ob der Mensch mit angedeuteten Flügeln vielleicht sogar einen Engel abbildet.

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Johann Korec, Wald, 2006, Kat.Nr. 2006-016, Acryl auf Leinwand, 220 × 646 cm
© Privatstiftung – Künstler aus Gugging

„Wald“
Johann Korec liebte Frauen, die Natur sowie Tiere und in diesem Werk auf Leinwand verbindet er all diese Elemente auf gekonnte Art und Weise. Nach einem Besuch im Tierpark Schönbrunn wollte er unbedingt eine große Leinwand – der Größe des Parks entsprechend – gestalten und tat dies nach einiger Zeit auch – mit Schürze und Handschuhen ausgestattet. So sehr er von der Größe des Elefanten, der auch am Werk zu sehen ist, und vielen anderen Tieren, die er aufzählt, fasziniert war ... die Faultiere, die über dem liegenden Liebespaar in den Bäumen zu sehen sind, hatten es ihm besonders angetan. So wollte er eine Weile lang – wie ein Faultier – einfach nichts tun. Nach einiger Zeit entschied er sich jedoch dazu, das Werk fortzusetzen und bettete zwei Liebespaare und Tiere in mehrere Bäume und gab seinem größten Werk den Titel „Wald“. Bei einem Besuch der galerie gugging kann man die „Korec-Bäume“ auch an den Wänden des Gebäudes bewundern.

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Arnold Schmidt, Menschen und Fahrrad, 2010, Kat.Nr. 2010-124, Acryl, Aquarellfarben, Kohle, Wachskreiden, 211 × 562 cm © Privatstiftung – Künstler aus Gugging

„Menschen und Fahrrad“
Arnold Schmidt begeistert mit einer expressiven Darstellung seiner Hauptthemen: Mensch, Flugzeug, Vogel und Fahrrad. Gekonnt und mit viel Elan bringt er das von ihm zuvor festgelegte Motiv auf Papier, Leinwand oder auch auf die Fassade des Hauses der Künstler. Die hier gezeigte Leinwand ist sein bisher größtes Werk und vereint die Themen Mensch, Fahrrad und Vogel auf harmonische Art und Weise. Interessant ist auch, dass er in diesem Fall mit aufgetragenen Linien, bestehend aus mehreren Farben, einen Boden geschaffen hat, der dieses Werk sehr kompakt erscheinen lässt. Diese Arbeit von Arnold Schmidt, der stets mit „Andi" signiert, hebt sein malerisches Talent hervor und zeigt seine Vorliebe, reichlich Wasser zum Mischen der Farben zu verwenden.

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Alfred Neumayr, soistes!, 2019, Kat.Nr. 2019-005, Acrylstift, Edding, Tusche auf Leinwand, 200 × 160 cm, Courtesy galerie gugging

„soistes!“
Als ich Alfred Neumayr erzählte, dass sich die nächste Ausstellung den „BIG FORMATS“ widmen würde, nahm er dies zum Anlass, sich wieder einer – großen – Leinwand anzunehmen. Diese Arbeit wurde zu einer seiner bedeutendsten und es war für ihn sowohl geistig, körperlich als auch technisch eine Herausforderung, sie fertigzustellen. Alfred Neumayr, dessen Werke im offenen atelier gugging entstehen, begann vor acht Jahren künstlerisch zu arbeiten und beschäftigte sich zuerst vor allem mit der Darstellung des „Nichts“. Formen, Wesen, floral anmutende Gebilde und Linien, aus zarten Strichen mit Tusche oder Acrylstiften gefertigt, bestimmen seine Arbeiten. Jene Leinwand entwickelte er von der linken Seite ausgehend und verband die entstandenen Strukturen und Figuren schließlich mit verzierten Ketten. Es scheint so, als ob die zentrale Hauptfigur alles trägt und über ein Netz alles miteinander vereint. Wie bei all seinen Werken empfiehlt es sich auch bei diesem, es ganz aus der Nähe zu betrachten, um die vielen Details zu erfassen. Mit einem Blick aus ein wenig Entfernung zeigen sich Frauenkörper, gespenstisch aussehende Wesen sowie Tierkörper und -köpfe. Nachdem Alfred Neumayr etwa 250 Stunden an dem Werk gearbeitet und den letzten Strich mit demselben Gefühl wie den ersten gemacht hatte, dachte er sich: „soistes!“ und schuf damit den Titel des Werkes.

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Simone Pellegrini, Cordoba’s solution, 2019, Kat.Nr. 2019-001, Mischtechnik auf Papier, 125 × 270 cm
© Giorgia Casadei

„Cordoba’s solution“
Als Simone Pellegrini im November 2018 in der galerie gugging zu Besuch war und ich einige seiner Werke sehen durfte, wusste ich, dass ich diese Arbeiten sehr gerne einmal zeigen würde. „BIG FORMATS“ ist die perfekte Gelegenheit dafür, da Pellegrini, der sich der Art Brut verbunden fühlt und dessen Werk der Kurator Guiseppe Frangi mit dem von Adolf Wölfli vergleicht, durchwegs überdurchschnittlich große Papierarbeiten fertigt, die sehr organisch anmuten. „Cordoba’s solution“ wurde vom Künstler eigens für diese Ausstellung kreiert und ist eines seiner bisher größten Werke. Da er niemals „jungfräuliche“ Blätter verwendet und seine Arbeiten eine bestimmte Patina haben sollen, ist es für ihn ein eigener Prozess, „seine“ Werksunterlage durch Zerreißen und wieder Zusammenfügen von Papier herzustellen. Er verwendet ausschließlich schwarze und rote Naturfarben und bringt die zuvor gefertigte Matrix mit etwas Öl und einem Eisengegenstand, mit dem er ausreichend Druck ausüben kann, auf das große Blatt. So entsteht Matrix für Matrix ein Werk wie dieses. Die Inspiration fand er in einer der größten Sakralbauten der Erde, der Moschee und später zur Kirche umgewidmeten Kathedrale von Cordoba, in der über viele Jahrhunderte lang Moslems und Katholiken gemeinsam ihren Glauben praktizieren konnten. Rechts außen zeigt sich eine den Säulen des Bauwerkes nachempfundene Form. Die anderen Strukturen sind laut Simone Pellegrini aus den Tiefen des Ozeanes und dem Feld der Abstraktion entstanden.