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GÜNTER BRUS / ENRIQUE FUENTES

Einheit der Zwietracht
 GALERIE GÖLLES
 20.11. - 05.01.2012

 

Vernissage: am Samstag, dem 19.November 2011, um 17 Uhr


Unter dem Titel „Einheit der Zwietracht“ führt die Galerie Gölles unter ihrem Dach zwei Künstler zusammen, wie sie auf den ersten Blick gegensätzlicher nicht sein könnten: Günter Brus, ehemaliger Wiener Aktionist, Begründer der Körperkunst, Erfinder der Bild-Dichtung, Zeichner und Schriftsteller, der vom „meistgehaßten Österreicher“ zum Staatspreisträger mit eigenem Museum avancierte. Und Enrique Fuentes, vierzig Jahre jüngeres Talent aus Mexiko, der an der École des Beaux-Arts in Paris Malerei studierte, zwischen Mexiko City, Paris, Berlin und Wien pendelt und von 2005 bis 2011 Assistent von Arnulf Rainer war.

Die Einheit, die der Ausstellungstitel evoziert, scheint primär eine räumliche zu sein, denn visuell verweigern sich die Zeichnungen und Gemälde einer apostrophierten Harmonie, um in unversöhnlicher Zwietracht schweigsam nebeneinander zu hängen. Enrique Fuentes präsentiert neue großformatige Leinwände, die einer expressiven Abstraktion huldigen und mit wahren Farbexplosionen überwältigen. Es scheint, als würde auf den Leinwänden von Enrique Fuentes der Kampf zwischen der Dynamik der Abstraktion und der Unnachgiebigkeit der Figur toben und in den neueren Bildern endgültig in der reinen Feier der Farben aufgelöst worden sein, wohingegen Günter Brus kleinformatige Zeichnungen und die sechzehnteilige in Schwarz-Weiß gehaltene Bild-Dichtung „Sieben Tage Zorn“ (1996) zeigen. “Sieben Tage Zorn“ eröffnen mit einem Kelch bitteren Gesöffs und verknüpfen assoziativ die sieben biblischen Schöpfungstage mit den sieben apokalyptischen Zornesschalen. Doch zelebriert Brus nicht den Untergang des Abendlandes, sondern ein „endlos dahingrauendes Morgengrauen“ führt den Betrachter in die kleinbürgerliche Scheinmoral einer „Scheiß Welt“ mit doppelköpfigen Fratzen und unheimlichen Zwitterwesen, deren geographische Lokalisation durch die Attribute auf den „Textseiten“ erleichtert wird Brus' Zeichnungen wie „Fragwürdiges Produkt der Ratlosigkeit“ (1991), „Liebe ist ein anderes Wort für Tastsinn“ (1987) oder „Die große Kunst der Gezeiten“ (1989) fügen sich nahtlos in ein bildzeichnerisches Kontinuum, das die körperlichen Gesten des Informel mit den existenziellen Entäußerungen der Aktionen, den herrschaftskritischen Überzeichnungen der Irrwisch-Zeit und den poetischen Vereinigungen der Bild-Dichtungen verbindet.

Den herrschaftskritischen Zeichnungen und Bild-Dichtungen von Günter Brus, mit ihren Tier-Mensch-Wesen, kybernetischen Organismen, Schädel- und Embryoformen, Körperfragmenten und -verletzungen stehen die farbgewaltigen Ölmalereien Enrique Fuentes gegenüber. Gemälde wie „Spaziergänger“, „Schwarzer Regenbogen“, „Vertikalschmerzfragment“ oder „Nutzlose Schönheit“ scheinen keinerlei Gegenstands- oder Figurenbezug mehr aufzuweisen. Es sind Farbexplosionen, Pigmentfächer, Koloritkaskaden, Lichtbrandungen, Rinnsale, dynamische Schlieren und eruptive Manifestationen. Fuentes erreicht mit seinen neuesten Gemälden eine Bildlebendigkeit, die heftige Erregung widerstrahlt und von einer explosiven Energie durchdrungen ist. Diese Unmittelbarkeit der Wirkung erreicht er durch einen direkten Farbauftrag: er schüttet die Farbe, spritzt sie, läßt sie rinnen, klatscht sie direkt mit den Händen auf die Leinwand oder schleudert die ungebundenen Farbpigmente auf die Bildoberfläche.

Der Begriff der „Ein-heit“ leitet sich etymologisch vom althochdeutschen Wort für „Person“ oder „Wesen“ ab, der wiederum mit der altindischen Wurzel für „Helle“, „Licht“ und „Gestalt“ verwandt ist, und bezeichnet wortgetreu „eine lichte Erscheinung“. Die Einheit der Zwietracht umschreibt somit bereits von ihrem Ursprung her trotz unterschiedlichen (künstlerischen) Trachtens eine gemeinsame lichte Erscheinung.

(Auszug aus Katalogtext - Günter Brus / Enrique Fuentes, Einheit der Zwietracht - Roman Grabner)