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Rudolf Klaffenböck

Grenzgehen

 GALERIE AM STEIN
 30.04. - 09.07.2016


Vernissage: 29. April 2016, 20 Uhr
Laudatio: Dr. Ulrich Pohlmann, Leiter der SammlungFotografie, Münchner Stadtmuseum



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„Beim Gehen sehen, Gehen hebt die Zeit auf“, sagt der österreichische, in Passau lebende Fotograf Rudolf Klaffenböck (* 1952). Seine Serie „Grenzgehen“entstand zwischen 1994 und 1996 auf einer 1300 Kilometer langen Wanderung entlang der österreichischen Grenze und dokumentiert den zeitgeschichtlichen Umbruch diesseits und jenseits der Grenze nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs.

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Wandkritzeleien - Mikulov, Südmähren, 1995

Die Werke erzählen von vergessenen Landstrichen der ehemals kommunistischen Nachbarländer Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien. In den Grenzgebieten, die sich in den kommenden Jahrzehnten grundlegend wandeln sollten, sicherte Klaffenböckmit der Kamera wie ein Archäologekulturelle Spuren und Orte: aufgelassene Grenzkasernen, devastierte Kirchenräume, jüdische Friedhöfe und Kriegerdenkmäler, Bushäuschen und Bahnhofswartesäle. Rudolf Klaffenböcks Fotografien lassen viele Rückschlüsse zu auf eine Gesellschaft im Umbruch. Sich die einzelnen Menschen vorzustellen, die in diesen Landstrichen gewohnt haben, überlässt er aber dem Betrachter.

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Aufgelassene Grenzkaserne - Satov, Südmähren, 1995

Das Titelbild des Ausstellungskatalogs, ein Vorraum einer Leichenhalle, symbolisiert eindrücklich ein fotografisches Leitthema Klaffenböcks: die Vergänglichkeit. Karg und abweisend zeigt sich dieser hart ausgeleuchtete Raum mit seinen dunklen Fenstern, verschlossenen Türen und einer maroden Holzbank.

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Vorraum einer Leichenhalle - Ceske Velenice, Südböhmen, 1994

Dr. Ulrich Pohlmann, Leiter der Sammlung Fotografie im Münchner Stadtmuseum, schreibt im Vorwort zum Ausstellungskatalog: „Das Dokumentarische bei Rudolf Klaffenböck ist eine individuelle Erkundung eines historisch kontaminierten Gebäudes, das sich in seiner Vielfalt und Bezügen demjenigen erschließt, der sich auf die besonderen Gegebenheiten einlässt. Die Zeit der Donaumonarchie ist ebenso gegenwärtig wie die Apokalypse der beiden Weltkriege oder die totalitäre Herrschaft im Nationalsozialismus und Kommunismus.“

Rudolf Klaffenböckstudierte Grafik-Design an der Fachhochschule für Gestaltung in München. Er ist ein fotografischer Spurensammler, der Veränderungen aufnimmt, Raum und Zeit beobachtend. Wie einst als Kabarettist und Dokumentarfilmer lenkt er auch als Fotograf den Blick oft auf die reale Absurdität des Alltags. Häufig entdeckt Rudolf Klaffenböck dabei im Peripheren neue Zusammenhänge, nicht selten gepaart mit Hintersinn.

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Ehemalige Dorfkirche - Pohori na Sumave, Südmähren, 1994

Striche, sichtbare, nachvollziehbare, lesbare Linien vermitteln noch über lange Zeiträume eine unverwechselbare und betroffen machende Präsenz ihrer selbst und folgerichtig – mal schemenhafter, mal konkreter – auch eine Vorstellung der dahinter stehenden Person. Im unmittelbar gezogenen, noch mehr im „verunglückten“ unvollständigen Strich, im noch nachfühlbaren Druck des Stiftes auf dem Papier wird ein aufmerksamer Betrachter dem Wiederaufleben der oder des Ausführenden noch einmal ansichtig. Die Zeit schient an diesem Punkt stehen geblieben zu sein, und nicht das Abgebildete ist jetzt des Wirkliche, sondern die Abbildung. Alles Vergangene war einmal Gegenwart, und es trifft auch zu, dass es noch gegenwärtig ist. Es enthält einen Hinweis, der nicht nur Verweis der Vergangenheit auf die Gegenwart ist, sondern auch entgegengesetzt eine Mitteilung der tatsächlichen Gegenwart auf eine Welt, in der die Vergangenheit mit der Gegenwart simultan ist. Das Bild als simultanes zeitliches wie auch räumliches Gebilde dient der Persönlichkeit als Stempel, welcher den gegenwärtigen Abdruck seiner unmittelbaren Existenz dokumentiert.

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Blick aus Triebwagen - Langau, Waldviertel, 1994