Ausstellungsliste nach Galerien
 Ausstellungsliste nach Künstlern

Brigitte Mayer

"Vermischte Leiber"

 GALERIE CHARIM
 25.10. - 23.11.2002

 

Vernissage: am Donnerstag, dem 24. Oktober 2002


Himmelsturz und Hölle, Fotografien von Brigitte Mayer

Daß ihre Bilder neugierig machen, wie ein Rezensent versichert, ist eine irritierende Feststellung. Ich kann nur von mir reden. Das erste mall sah ich sie auf einer Fahrt nach Wien im Januar 1992.

Zwischenstation Regensburg, nachts halb drei. In einer nicht nur von Gott verlassenen Kneupe ist ein letztes Bier zu haben, in der Ecke ein verlassener Gast, der aus seinem Rausch an den Nachbartisch kommt. Erschrecken, Erkennen: Er entpuppt sich als Klassenkammerad der Fotografin, die, leichtsinnig, ihre Bilder über den Tisch gebreitet hat, ich sollte sie eben sehen. Die Bilder haben sich, entschuldigen sie das ergriffene Wort, eingebrannt: Abzüge oder Kopien ihrer ersten Sammlung "Perfect Sister" in Schwarzweiß. Neugierig bin ich danach nicht geworden, verstört beim Blick und der Erinnerung an diesen ersten Eindruck, noch immer Portraitts und Selbstportrais aus der Bewegung gerissen, Menschen / Leibed, mit wenig mehr als den Attributen ihres Geschlechts bekleidet, wobei Waffen, Versatzstücke aus einem, unseren Kulturkreis, der uns zu Mitwissenden zwingt. Es hatte, hat mit der Perfektion zu tun: das Arrangements, der Farbgebung, des Lichts. Der Brutalität der gesicherter Begriff der Psychiatrie. Er schlägt sich in ihren aktuellen Bildern nieder, schlägt bildgeworden auf die nachkten, zu teig arrangierten Körper. Wo sie aufzustehen versuchen, setzt die Fotografie den Schnitt ins Bild wie einen Bruch. Die Häufung der Posen, die Hierarchie der Generationen gegeneinander, Stadien des Verfalls von Geburt (der Säugling, der sich in den Boden, der ihn ausgeworfen hat zurückzubohren scheint) bis todesnah (die oberste Parze, gelassen auf der Treppenstufe sitzend, sie sieht den vergeblich klimmenden, jetzt ruhenden Geschlechtsgleichen zu), ist weniger Willkür als Erfahrung geschuldet.

Torso ist, nach Walter Benjamin, erst der Beginn der Rezeption. "Nur wer die eigene Vergangenheit als Ausgeburt des Zwanges und der not zu betrachten wüsste, der wäre fähig, sie in jeder Gegenwart vergleichbar, der auf Transporten alle Glieder abgeschlagen wurden, und die nun nichts als den kostbaren Block abgibt, aus dem er das Bild seiner Zukunft zu hauen hat". Brigitte Mayer, so steht zu befürchten, besitzt diese Fähigkeit. Ihre Bilder machen neugierig, wenn ich wüßte worauf ... Daß ich es nicht weiß, und ich bin froh, dass nicht, macht die Unruhe dieser zu Ruhe geronnen Bilder aus. Ruhe vor etwas, das kommt, Ruhe dazwischen. Etwas muss geschehen sein, nichts Gutes, wie den Leibern, die ihr Gliedmaßen mit Mühe beieinander halten können, auszusehen ist. Im Genlabor könnte die Zukunft so aussehen. Brigitte Mayers Bilder beschreiben eine Schlacht, die zwischen Traum und Albtraum zu verorten ist. Vor - Bilder sind deutlich auszumachen, sie zu nenen soll denen vorbehalten sein, die sie im ARsenal der bildenden Kunst, in Illustration zum Neuen / Alten Testamtent, zur Tragödie des Aischylos und zur Komödie Dantes wiederfinden. In Rot- und Blau- Variationen belichtet sie Arrangements, die sie and den Planken der Wirklcihkeit vor der kommendne Flut totaler Reproduzierbarkeit inszeniert ... Vielleicht sind solche Bilder nötig unsere Warhnung die in Gefahr ist, reproduzierbar zu werden, gegen die Flut in Brand zu setzen. Herostratos ist der erste Künstler der Moderne.

Thomas Martin

Brigitte Mayer, geb. 1965 in Regensburg, Ausbildung Hochschule für visuelle Kommunikation in Kassel mit Schwerpunkt Fotografie und Performance, seit 1990 freischaffende Künstlerin in Berlin.