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Max Boehme


 GALERIE CHARIM
 24.04. - 11. 05. 2002

 

Eröffnung: Dienstag, 23. April 2002, ab 19.00 Uhr


Zum ersten Mal zeigten wir den 1965 geborenen Künstler im Rahmen unseres „Sommer Spezial- Programms in der Salzburger Galerie. In seiner Ausstellung, die eigentlich Lounge oder Salon heissen sollte, zeigt er neben Arbeiten auf Leinwand auch Sitzsäcke aus Kunstfell und Lampen.
Diese Ausstellung ist Teil einer Serie, in welcher wir österreichische bzw. in Österreich arbeitende Künstler/innen zeigen, die inhaltlich und formal nicht eindeutig zuordenbar sind und vielleicht gerade dadurch Zusammenhänge innerhalb der österreichischen
Kunstszene aufzeigen.
Begonnen haben wir die Folge mit Heinz Frank. Bis zum Sommer sind neben Max Boehme noch Anton Herzl und VALIE EXPORT Ingrid Wiener zu sehen.

FÜR WIE DÄMLICH KANN MAN JEMANDEN HALTEN, DEN MAN NICHT VERSTEHT?

Ich werfe Max Boehme die Suche nach Schönheit vor. Denn ich bin die Kritikerin und sage, es gibt wenig gute Gründe ein Bild zu malen. Und Schönheit ist definitiv keiner davon.

Max Boehme will nichts beweisen. Und damit nervt er uns. Nur wer zeigt, kann auch beweisen. Stattdessen spielt Max Boehme mit der Unkenntlichkeit. Und das auch noch vordergründig, denn abstrakt ist seine Kunst nun wirklich nicht. Ich habe es doch gesehen.

1990 zeigte Max Boehme mir Fotos von rohem Hühnerfleisch. Ein kleines, totes Tier wurde zerteilt und zwischen den Fingern geknetet. Sogar ich hatte genug Schwarzkogler und Nitsch gesehen, um zu wissen: hier handelt es sich um religiöse Aktionskunst. Fleischeslust. Tod. Blut. Die großen Themen eben. Ich gebe zwar munter zu, genug davon zu haben. Trotzdem, wenn ich heute in seinen Bildern noch etwas davon sähe, dann könnte ich zumindest sagen: Max, Du hast deine Gründe. Aber so kann es sich nur um eine Variation von lart pour lart handeln. Oder ein spekulatives Spiel mit den Ekelgefühlen der Betrachter. Denn zeitgleich manipulierte er uns mit seinen Präperaten. Invasionsartig auftretende, wirklich unschöne Gebilde aus schwarzsilbrigen Kunstleder gefüllt mit Polyutheran. Wieder diese eklige Körperlichkeit. Das gefiel sehr gut und barg eine Menge Kunsttheorie in sich. Auch die Augen- und Ohrenlose Fellkörper nach persönlichen Maßen, die in engen Glaskästen saßen. Oh Mann, wir waren uns alle ganz sicher, wohin die Reise führt. Obwohl seine Wortlosigkeit hätte auffallen müssen. Schließlich hatten damals alle etwas zu sagen. Sogar Meister Oehlen wollte ohne Titel nicht leben.

Aber was passierte dann? Max Boehme zog uns Betrachtern langsam aber sicher den theoretischen Teppich unter den Füßen weg. Er tat es so, dass es kaum jemanden auffiel. (Manch einer wartete sogar darauf, daß dem Maler fad werden würde. Quel scandal!) Er begann die Fleischfotos mit silberner Farbe erst dezent zu manipulieren, dann immer deutlicher zu übermalen. Dazu kam schwarz, kam weiß, kam Leinölfirniß, kam Make up, kam alles mögliche. Das tote Huhnfoto verschwand und plötzlich hingen echte Ölbilder an der Wand. Glücklicherweise erkannten wir trotzdem Körperteile und mit ihnen einige passende Folgetheorien. Leider: Too sexy for the critics. Oder wie sollen die Kunstkritiken dazu verstanden werden, die elegant auf klassische Verwandte der Kunstgeschichte (Michelangelo, ect) zurückführten und mich noch mehr dazu verleiteten, daß hier mit klassischen Idealen herumgespielt wurde?

Vielleicht elegant, aber trotzdem eine komplette Sackgasse, wenn man genau hinschaut. Max Böhmes Ziel war nie die Weiterführung oder Modernisierung fulminanter Körperdarstellungen. Und das sieht man spätestens heute. Denn wie zum Beweis verschwinden langsam die letzten eindeutigen Hinweise auf den Körper, die Muskeln, das Knie, den Arsch. An diesem Punkt wird klar: Hier ist einer, der sich tatsächlich die Mühe macht, ein Bild zu malen. Nicht im Sinne des handwerklichen Könnens (so blöd ist keiner) sondern im Sinne der Bilderfindung. Egal ob Geflügel oder Körperteil, das alles waren lediglich Hilfsmittel. Nicht die eines Schülers, der nunmehr die Stufe des Durchpausens hinter sich gelassen hatte. (Dass der Boehme sozusagen die Körperlichkeit der Hühnermuskeln aus dem Handgelenk nachpinseln konnte.) Sondern Konstruktionshilfen eines Erfinders, die immer mehr zur Vorlagen wurden und damit der reinen Bilderfindung im Wege stand.

Für wie dämlich kann man eigentlich jemanden halten, den man nicht versteht? Begreift man nämlich die zentrale Frage dieses Künstlers: Was ist ein Bild? versteht man auch seine Suche nach Schönheit. Denn selbstverständlich trifft die Bilderfindung zwangsläufig auf den Begriff Schönheit. Vielleicht ist es sogar so, daß nur in der Bilderfindung die Suche nach Schönheit eine Berechtigung hat. Immer vorausgesetzt der Künstler hat ins Auge gefasst hat, etwas interessantes zum Kunstdiskurs beizutragen.

Die Bilder von Max Boehme sind ziemlich unverschämt zum Publikum. Sie wollen nicht erkannt werden. Geht nämlich gar nicht, weil sie sonst schlechte Vertreter der Thematik Bilderfindung wären. Sie wollen gesehen werden. Aber was soll ich sehen, wenn ich nichts erkenne? Hinzu kommt, dass sie mittlerweile in den Zustand der Selbsterfindung getreten sind, was wirklich unangenehm auf den ersten Blick sein kann. Fast schmerzhaft. Manch einer muss erst ein paar Mal blinzeln. Aber wenn ich mich zwinge weiterzuschauen, gefallen sie mir. Und dann kann es schon vorkommen, dass ich aus lauter Verwirrung gegen die Suche nach der Schönheit polemisiere. Wer ist schon auf eine tatsächliche Bilderfindung hinreichend vorbereitet? Das haben unsere Eltern verpasst.

Wenn ich Max Boehme in seinem Atelier arbeiten sehe, sehe ich auch die Antwort auf die alte Kinderfrage: was ist Kunst? Es ist nicht einmal so, dass ich mich mit dieser Frage als Künstlerin lange auseinandersetzen will. Aber es ist beruhigend, dass es jemand macht.

Dorotée Berghaus