Zum ersten Mal zeigten wir den 1965 geborenen Künstler im
Rahmen unseres Sommer Spezial- Programms in der Salzburger
Galerie. In seiner Ausstellung, die eigentlich Lounge oder Salon
heissen sollte, zeigt er neben Arbeiten auf Leinwand auch Sitzsäcke
aus Kunstfell und Lampen.
Diese Ausstellung ist Teil einer Serie, in welcher wir österreichische
bzw. in Österreich arbeitende Künstler/innen zeigen, die
inhaltlich und formal nicht eindeutig zuordenbar sind und vielleicht
gerade dadurch Zusammenhänge innerhalb der österreichischen
Kunstszene aufzeigen.
Begonnen haben wir die Folge mit Heinz Frank. Bis zum Sommer sind
neben Max Boehme noch Anton Herzl und VALIE EXPORT Ingrid Wiener
zu sehen.
FÜR WIE DÄMLICH KANN MAN JEMANDEN HALTEN, DEN MAN
NICHT VERSTEHT?
Ich werfe Max Boehme die Suche nach Schönheit vor. Denn ich
bin die Kritikerin und sage, es gibt wenig gute Gründe ein
Bild zu malen. Und Schönheit ist definitiv keiner davon.
Max Boehme will nichts beweisen. Und damit nervt er uns. Nur wer
zeigt, kann auch beweisen. Stattdessen spielt Max Boehme mit der
Unkenntlichkeit. Und das auch noch vordergründig, denn abstrakt
ist seine Kunst nun wirklich nicht. Ich habe es doch gesehen.
1990 zeigte Max Boehme mir Fotos von rohem Hühnerfleisch.
Ein kleines, totes Tier wurde zerteilt und zwischen den Fingern
geknetet. Sogar ich hatte genug Schwarzkogler und Nitsch gesehen,
um zu wissen: hier handelt es sich um religiöse Aktionskunst.
Fleischeslust. Tod. Blut. Die großen Themen eben. Ich gebe
zwar munter zu, genug davon zu haben. Trotzdem, wenn ich heute in
seinen Bildern noch etwas davon sähe, dann könnte ich
zumindest sagen: Max, Du hast deine Gründe. Aber so kann es
sich nur um eine Variation von lart pour lart handeln. Oder ein
spekulatives Spiel mit den Ekelgefühlen der Betrachter. Denn
zeitgleich manipulierte er uns mit seinen Präperaten. Invasionsartig
auftretende, wirklich unschöne Gebilde aus schwarzsilbrigen
Kunstleder gefüllt mit Polyutheran. Wieder diese eklige Körperlichkeit.
Das gefiel sehr gut und barg eine Menge Kunsttheorie in sich. Auch
die Augen- und Ohrenlose Fellkörper nach persönlichen
Maßen, die in engen Glaskästen saßen. Oh Mann,
wir waren uns alle ganz sicher, wohin die Reise führt. Obwohl
seine Wortlosigkeit hätte auffallen müssen. Schließlich
hatten damals alle etwas zu sagen. Sogar Meister Oehlen wollte ohne
Titel nicht leben.
Aber was passierte dann? Max Boehme zog uns Betrachtern langsam
aber sicher den theoretischen Teppich unter den Füßen
weg. Er tat es so, dass es kaum jemanden auffiel. (Manch einer wartete
sogar darauf, daß dem Maler fad werden würde. Quel scandal!)
Er begann die Fleischfotos mit silberner Farbe erst dezent zu manipulieren,
dann immer deutlicher zu übermalen. Dazu kam schwarz, kam weiß,
kam Leinölfirniß, kam Make up, kam alles mögliche.
Das tote Huhnfoto verschwand und plötzlich hingen echte Ölbilder
an der Wand. Glücklicherweise erkannten wir trotzdem Körperteile
und mit ihnen einige passende Folgetheorien. Leider: Too sexy for
the critics. Oder wie sollen die Kunstkritiken dazu verstanden werden,
die elegant auf klassische Verwandte der Kunstgeschichte (Michelangelo,
ect) zurückführten und mich noch mehr dazu verleiteten,
daß hier mit klassischen Idealen herumgespielt wurde?
Vielleicht elegant, aber trotzdem eine komplette Sackgasse, wenn
man genau hinschaut. Max Böhmes Ziel war nie die Weiterführung
oder Modernisierung fulminanter Körperdarstellungen. Und das
sieht man spätestens heute. Denn wie zum Beweis verschwinden
langsam die letzten eindeutigen Hinweise auf den Körper, die
Muskeln, das Knie, den Arsch. An diesem Punkt wird klar: Hier ist
einer, der sich tatsächlich die Mühe macht, ein Bild zu
malen. Nicht im Sinne des handwerklichen Könnens (so blöd
ist keiner) sondern im Sinne der Bilderfindung. Egal ob Geflügel
oder Körperteil, das alles waren lediglich Hilfsmittel. Nicht
die eines Schülers, der nunmehr die Stufe des Durchpausens
hinter sich gelassen hatte. (Dass der Boehme sozusagen die Körperlichkeit
der Hühnermuskeln aus dem Handgelenk nachpinseln konnte.) Sondern
Konstruktionshilfen eines Erfinders, die immer mehr zur Vorlagen
wurden und damit der reinen Bilderfindung im Wege stand.
Für wie dämlich kann man eigentlich jemanden halten,
den man nicht versteht? Begreift man nämlich die zentrale Frage
dieses Künstlers: Was ist ein Bild? versteht man auch seine
Suche nach Schönheit. Denn selbstverständlich trifft die
Bilderfindung zwangsläufig auf den Begriff Schönheit.
Vielleicht ist es sogar so, daß nur in der Bilderfindung die
Suche nach Schönheit eine Berechtigung hat. Immer vorausgesetzt
der Künstler hat ins Auge gefasst hat, etwas interessantes
zum Kunstdiskurs beizutragen.
Die Bilder von Max Boehme sind ziemlich unverschämt zum Publikum.
Sie wollen nicht erkannt werden. Geht nämlich gar nicht, weil
sie sonst schlechte Vertreter der Thematik Bilderfindung wären.
Sie wollen gesehen werden. Aber was soll ich sehen, wenn ich nichts
erkenne? Hinzu kommt, dass sie mittlerweile in den Zustand der Selbsterfindung
getreten sind, was wirklich unangenehm auf den ersten Blick sein
kann. Fast schmerzhaft. Manch einer muss erst ein paar Mal blinzeln.
Aber wenn ich mich zwinge weiterzuschauen, gefallen sie mir. Und
dann kann es schon vorkommen, dass ich aus lauter Verwirrung gegen
die Suche nach der Schönheit polemisiere. Wer ist schon auf
eine tatsächliche Bilderfindung hinreichend vorbereitet? Das
haben unsere Eltern verpasst.
Wenn ich Max Boehme in seinem Atelier arbeiten sehe, sehe ich auch
die Antwort auf die alte Kinderfrage: was ist Kunst? Es ist nicht
einmal so, dass ich mich mit dieser Frage als Künstlerin lange
auseinandersetzen will. Aber es ist beruhigend, dass es jemand macht.
Dorotée Berghaus
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